Alexander Glasunow

Symphonie Nr. 7 „Pastoral“ /Poème lyrique /Stenka ­Razin/Overture ­Carnaval

Niederrheinische Sinfoniker, Ltg. Mihkel Kütson

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 67

Einer der wichtigsten russischen Komponisten war Alexander Glasunow (1865-1936), ein Freund sowohl des „Mächtigen Häufleins“, das eine eigenständige russische Nationalmusik begründete, als auch des „Westlers“ Peter Tschaikowsky; einerseits konservativ bis auf die Knochen (man nannte ihn den „russischen Brahms“) und andererseits offen für neuere Entwicklungen. Mit seiner Meisterschaft in Formgebung, Kontrapunkt und ­Orchestrierung war er ein Vorbild nicht nur für seine Student:innen am St. Petersburger Staatskonservatorium wie Sergej Prokofjew und Dmitri Schosta­kowitsch.
Diese neue CD enthält vor allem seine Sinfonie Nr. 7 F-Dur op. 77 „Pastorale“ von 1902, die sich in ­ihrer Tonart und ihrem Hauptthema an das entsprechende Parallelwerk von Ludwig van Beethoven anschließt – allerdings nicht in ­ihrer vierteiligen, eher konventionellen Satzfolge. Danach kommen drei frühere, kürzere und etwas bescheidenere sinfonische Dichtungen: zuerst Stenka Razin op. 13 (1885) über das bekannte Lied der Wolgaschlepper, dann das wunderschöne Poème lyrique op. 12 (1882-87) und schließlich die quirlige Ouvertüre Carnaval op. 45 (1892, mit einem ruhigen Mittelteil für Orgel – an der abschließenden Apotheose der Lebensfreude ist die Königin der Instrumente dann nicht mehr beteiligt).
Es kann nicht genug gelobt werden, dass die Niederrheinischen Sinfoniker aus Krefeld und Mönchengladbach sowie ihr estnischer GMD hier (mit finanzieller Förderung durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen) endlich in das internationale Rampenlicht kommen, auch dass dabei eine weitaus hochwertigere Aufnahmetechnik gewählt wurde als bei den einschlägigen Gesamtaufnahmen der Sinfonien von Glasunow. Schade nur, dass der Dirigent gleich das Hauptthema der Siebten mit so viel Rubato und stellenweise sogar falscher Phrasierung versieht, dass dessen genaue Konturen und somit auch der Bezug zu Beethoven, ja fast die ganze Konstruktion des Kopfsatzes verloren gehen. Das „Tempo I“ (also die mehrfache Wiederkehr des „Allegro moderato, Viertel = 84“) erhält dann jeweils ein unsinniges Rallentando. Zum Glück trifft das städtische Orchester vom linken Niederrhein im langsamen Satz sehr schön das Doppelwesen dieser Sarabande zwischen Idyll und Totentanz und im geradtak­tigen und triangel-glänzenden Scherzo dessen forcierte Leichtigkeit. Das Finale hat schließlich ebenso viel Schwung wie Würde. Ihren Gipfel an blühender Klangschönheit erreichen die Nieder­rheinischen Sinfoniker im Poème lyrique.
Ingo Hoddick