Bruckner, Anton
Symphonie Nr. 7 E-Dur
Bearbeitung für Kammerorchester von Hanns Eisler, Erwin Stein, Karl Rankl, hg. von Alan Leighton
In mehr als hundert Konzerten zwischen Dezember 1918 und Dezember 1921 hat der von Arnold Schönberg begründete und geleitete Verein für musikalische Privataufführungen in Wien seinen Mitgliedern zahlreiche zeitgenössische Kompositionen zu Gehör gebracht, darunter neben Werken des Schönberg-Kreises auch stilistisch völlig anders ausgerichtete Stücke von Mahler, Debussy, Skrjabin, Reger, Bartók oder Strawinsky. Dieser plural-informative Ansatz einer Konzertreihe ohne Öffentlichkeit, Applaus oder Rezension erweiterte sich damals sogar zu dem Bedürfnis, klassisches und romantisches Repertoire vermeintlich häufig und schlecht aufgeführt in gründlich einstudierten, exemplarischen Interpretationen darzubieten. Diese B-Serie brachte es 1921 allerdings nur auf fünf Konzerte mit Werken u. a. von Mozart, Beethoven, Schumann, Brahms und Wolf, bevor der Verein seine Tätigkeit in Folge der österreichischen Hyperinflation jener Jahre einstellte.
Auf der Strecke blieb damals auch die für 1921 geplante Aufführung einer Kammerensemble-Fassung der 7. Sinfonie Anton Bruckners. Das 1884 in Leipzig unter Arthur Nikisch uraufgeführte, neben Streichern und Pauke mit doppeltem Holz und 15 Blechbläsern groß besetzte Originalwerk war Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem weltweiten Publikumserfolg geworden. Die jungen Schönberg-Schüler Hanns Eisler, Erwin Stein und Karl Rankl sahen eine reizvolle Aufgabe darin, das beliebte Werk im Klangbild auf das Wesentliche zu reduzieren und damit im Kammermusiksaal darstellbar zu machen. Streichquartett plus Kontrabass, Klarinette und Horn erhalten durch Klavier und Harmonium zwei in der Originalbesetzung nicht vorhandene Mitstreiter, die manche Farbfacetten beisteuern bzw. kompensieren, bei den gewaltigen Brucknerschen Klangsteigerungen aber auch zu überzeugender quasi-sinfonischer Klangfülle aufzulaufen vermögen, ohne das Klangbild einseitig zu dominieren.
Die 1921 unaufgeführt ad acta gelegte Bearbeitung wurde erst 1994 in den USA aus der Taufe gehoben; im Jahr 2000 führte eine CD-Produktion des Linos-Ensembles zu einem nachhaltigen Interesse auch bei anderen Interpretengruppen. Dem Bochumer Solohornisten Alan Leighton ist es zu danken, dass jetzt eine zeitgemäße Partitur- und Stimmen-Ausgabe des Werks zur Verfügung steht. Leighton hat sich, ausgehend von zwei Aufführungen in Konzerten der Bochumer Symphoniker, der Mühe unterzogen, die Bearbeitung der Schönberg-Schüler mit den Originalquellen (Bruckner-Handschrift und Partitur der Bruckner-Gesamtausgabe) Ton für Ton abzugleichen und dabei zahlreiche dynamische Eigenmächtigkeiten und Druckfehler zu korrigieren, wie sie die Bearbeiter aus der Eulenburg-Partitur übernommen hatten. Die fast 200 Seiten starke Edition macht in ihrer Genauigkeit und der heute selten gewordenen partiturtechnischen Ästhetik (!) den hehren Absichten des Schönberg-Kreises alle Ehre.
Rainer Klaas