Bruckner, Anton / Richard Wagner

Symphonie Nr. 7 / Das Liebesmahl der Apostel

Staatskapelle Dresden, Ltg. Christian Thielemann

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil / Edition Günter Hänssler PH15013
erschienen in: das Orchester 12/2016 , Seite 65

„Welch Brausen erfüllt die Luft? Welch Tönen, welch Klingen?“ Man wäre gerne dabei gewesen, als 1843 sage und schreibe 1200 Chorsänger aus Sachsen, verteilt auf alle Emporen der Dresdner Frauenkirche, in maximaler Emphase die Ausgießung des Heiligen Geistes besangen – nach Klängen von keinem geringeren als Richard Wagner, der in perfekter Verquickung von Kunst und Religion das Liebesmahl der Apostel komponiert hatte für das „Allgemeine Männergesangfest“. Wagner präsentierte ein biblisches Theaterstück, das ebenso perfekt auf das grandiose Gotteshaus zugeschnitten war wie der Ring des Nibelungen später auf das Bayreuther Festspielhaus.
Nach dem Wiederaufbau der Frauenkirche im Jahr 2005 war klar, dass dieses Liebesmahl der Apostel wieder am Ort seiner Uraufführung erklingen würde – zumal mit Christian Thielemann in der Spielzeit 2012/13 der derzeit wohl prominenteste Wagner-Dirigent die Chefposition bei der Sächsischen Staatskapelle übernahm. Das Wagner-Jahr 2013 gab Gelegenheit für ein denkwürdiges Konzert, bei dem neben dem Liebesmahl weitere Chorwerke Webers und Wagner sowie Mendelssohns Reformationssinfonie aufgeführt wurden. Zumindest der Apostelgesang ist auf einer CD festgehalten, die nun in der eigenen Edition der Staatskapelle als Nummer 38
erschienen ist. Die Verbindung von Wagner und Mendelssohn war sinnvoll und geschickt, weil über die feindlichen Kommentare des spätgeborenen Antisemiten hinaus die musikalische Nähe der beiden Meister betont wurde. Auf der vorliegenden CD hat man sich für eine andere Koppelung entschieden, die den Dresdnern im Grunde niemand übel nehmen kann: Bruck­ners Siebte statt der Reformationssinfonie, die Colin Davis schon einmal aufgenommen hatte, während die Siebte sich in Christian Thielemanns Bruckner-Zyklus einreiht.
Bruckner und Wagner gemeinsam zu erleben hat auch einen eigenen Reiz, denn obwohl der Großmeister der spätromantischen Kathedralsinfonik zeitlebens ein glühender Verehrer Wagners war und ihm in seinen Werken zitatweise Denkmal um Denkmal setzte, sperren sich die „absoluten“ Bruckner-Sinfonien gegen die Musikdramatik Wagners, der in seinem Werk für die Überwindung der reinen Instrumentalmusik eintrat.
In Christian Thielemanns Lesart wird die Koppelung freilich sinnfällig, denn er steht wie vor ihm vielleicht nur Karajan für einen pastosen, an Wagners Orchesterbehandlung orientierten Brucker-Mischklang und eine grandiose Transparenz der Farben. Damit gelingt ein zu Tränen rührender langsamer Satz mit dem Trauerchoral zu Wagners Tod als Höhepunkt.
An Prägnanz und Kantigkeit etwa im dritten Satz fehlt es dafür etwas. Das Liebesmahl der Apostel bietet in der grandiosen Interpretation von sieben Chören ein Hörerlebnis ganz eigener Art. Das Männerbündische befremdet manchmal. Doch als in einer grandiosen Überhöhung zum a cappella geführten Monumentalchor nach 25 Minuten plötzlich ein Orchester tritt, kann man sich dem schwerlich entziehen.
Johannes Killyen