Gustav Mahler

Symphonie Nr. 7

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Bernard Haitink

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: BR Klassik
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 73

Der 2021 gestorbene niederländische Dirigent Bernard Haitink hat viele große Orchester dieser Welt dirigiert. Legendär ist seine Zeit als Chefdirigent des Concertgebouw Orchestra Amsterdam, er leitete aber auch das Orchester und Opernhaus in London sowie das Chicago Symphony Orchestra oder die Staatskapelle Dresden. Er stand aber auch oft am Pult der Berliner und Wiener Philharmoniker. Eine besonders intensive Zusammenarbeit verband ihn mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. So hat er mit dem Münchner Orchester unter anderem Richard Wagners Tannhäuser und den ganzen Ring des Nibelungen aufgenommen. Nach und nach werden nun auch Mitschnitte von Konzerten mit diesem Orchester in der verdienstvollen eigenen CD-Reihe des Bayerischen Rundfunks veröffentlicht. Dazu gehört diese Aufnahme mit der siebten Sinfonie von Gustav Mahler, die bei einem Konzertprojekt im Februar 2011 im Münchner Gasteig aufgenommen wurde.
Bernard Haitink gehört ohne Frage zu den ganz großen Mahler-Dirigenten. Zudem war er neben Bernstein, Kubelik, Solti und Abravanel einer der ersten, der alle Sinfonien eingespielte. So sehr dabei der Amsterdamer Zyklus aus den 1960er und 1970er Jahren noch immer seine Bedeutung hat, ist es sehr spannend, Haitinks Wiedergaben von damals mit späteren Interpretationen in Beziehung zu setzen.
Es zeigt sich dabei – das belegt der Münchner Mitschnitt der Siebenten sehr deutlich –, dass Bernard Haitink sich bei seiner Mahler-Deutung nicht grundsätzlich veränderte, wohl aber in seinen späteren Jahren deutlicher und pointierter wurde. Dabei war sein Mahler von jeher getragen von einer sehr genauen Ausarbeitung der kompositorischen Struktur in Verbindung mit einer nie übertriebenen, aber stets sehr intensiven Ausdruckshaltung.
Bei der Aufnahme der siebten Sinfonie aus München ist Haitinks Zugang zur Musik hintergründiger geworden. Diese am wenigsten gespielte Sinfonie Mahlers ist in ihrer Aussage schwer zu greifen. Allein die Frage, was denn der Jubelgestus des Finales soll, wird in der Mahler-Literatur kontrovers
diskutiert.
Bernard Haitink geht mit dem großartig agierenden Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks einen klugen Weg: Er durchleuchtet die Partitur ausgesprochen genau und macht hörbar, was Mahler notiert hat. Nicht in kühl analytischer Haltung, sondern der Ausdruckswelt der Musik sehr zugewandt mit einem erfüllten, gleichsam humanen Ton. Sein Überblick über die Form ist überragend und wissend. Gerade deshalb werden hier ohne falschen Nachdruck auch die Brüche und Fragezeichen des Werks evident. Diese Aufnahme bringt die siebte Sinfonie von Gustav Mahler kongenial auf den Punkt und stellt dabei auch all die Fragen, die diese Musik aufwirft.
Karl Georg Berg