Franz Schubert

Symphonie Nr. 5/Nr. 6

Münchner Symphoniker, Ltg. Kevin John Edusei

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Music SM 296
erschienen in: das Orchester 04/2019 , Seite 70

Nach den beiden Moll-Sinfonien Nr. 4 „Tragische“ und Nr. 7 „Unvollendete“ (siehe das Orchester 4/18, S. 64) haben die Münchner Symphoniker unter der Leitung von Kevin John Edusei wiederum beim Label Sony Music nun die beiden mittleren und in der Chronologie von einem Jahr Pause unterbrochenen, lichtdurchflutenden Dur-Sinfonien Nr. 5 D 485 und Nr. 6 D 589 eingespielt. Aufgenommen wurden sie kurz hintereinander zwischen dem 28. und dem 31. Mai 2018, also genau ein Jahr nach den beiden vorgenannten, ebenfalls in den Münchner Bavaria Studios. „Schubert müssen wir machen!“, so die wohl einhellige Übereinstimmung, gerade diese beiden Werke auf eine CD zu bannen. Außerdem ist im Booklet nachzulesen, wie reizvoll es doch sei, auf engstem Raum zwei Sinfonien zu präsentieren, die sich wie ungleiche Geschwister „in kompositorischer Absicht so fundamental unterscheiden“.
Folgt man der Einladung und hört sich diese beiden in den Jahren 1816 und 1817/18 komponierten Werke unter dem hervorgehobenen Aspekt an, fallen selbstverständlich signifikante Unterschiede auf – allein schon aufgrund der reduzierten Besetzung der Fünften. Dies sollte allerdings hinlänglich bekannt sein. Bemerkenswert, dass das Orchester dies als verkaufsförderndes Argument verwendet. Zwar werden die ersten sechs Sinfonien unter „Jugendsinfonien“ subsumiert, da sich ihnen eine Phase fragmentarischer Werke – auch als „Jahre der Krise“ bekannt – anschließt, die mit der „Unvollendeten“ endet. Schubert erwähnte die ersten sechs in seinem 1828 an den Schott-Verlag gesendeten „Verzeichniß“ seiner „fertigen Compositionen“ nicht, da er sie offenbar nicht veröffentlichen wollte, gab aber damit nachfolgenden Generationen eine Steilvorlage, sie seien „nur Vorarbeiten“ oder würden „überschätzt“.
Tatsächlich ist sich die Schubert-Forschung inzwischen weitgehend einig: Diese Klassifizierung scheint fehlgeleitet zu sein, die Sinfonien können vor den Werken anderer Zeitgenossen ohne Weiteres bestehen; die Jugendwerke seien zu lange aus der Perspektive der späten Werke gesehen worden. Exemplarisch wird dies in der „Kleinen C-Dur“ ausgedrückt, die Schubert selbst noch als „große“ titulierte. Anders als die B-Dur-Sinfonie wirkt jene im Aufbau zunächst experimentell und risikofreudig und in kein Schema passend, wenn auch mit Rossini’schem Idiom. Manches verweist bereits auf die „Große Sinfonie“.
Jedoch ist indes die Fünfte in vielem schon weiter. So wurde die Sechste als Rückschritt und als „Dokument des Scheiterns“ empfunden, wie das Booklet dazu passend eine zeitgenössische Aussage zitiert. Deswegen also der Reiz, die Unterschiede zu verdeutlichen.
Während Edusei und das Orchester die Fünfte ohne viel Schnörkel mit scheinbar relativ wenig Aufwand spielen – wenn auch den langsamen Satz etwas zu durchgängig –, versuchen die Akteure die vielen Kanten und Konturen der Sechsten zu schärfen. Die Tempi sind sehr gut austariert, die Wiederholungen (bis auf eine übergangene im langsamen Satz) finden eine genussvolle Beachtung.

Werner Bodendorff