Gustav Mahler
Symphonie Nr. 4
für Sopran-Solo und Orchester, hg. von Christian Rudolf Riedel, Partitur
Mahler komponierte seine 4. Sinfonie in den Sommermonaten 1899 und 1900, die Uraufführung fand am 25. November 1901 mit dem Kaim-Orchester und der Sopranistin Margarete Michalik unter der Leitung des Komponisten in München statt. In einem Brief an Richard Strauss schrieb er am 6. Juli 1901, dass die Vierte im Druck sei, „und außerdem möchte ich ein neues Werk – das erste, das vielleicht den bestehenden Verhältnissen etwas praktischer entgegenkommt und daher bei vorurteilsfreier und liebevoller Aufnahme unter günstigen Umständen mir den einzigen Lohn bringen kann, den ich mir von meinem Schaffen erwünsche: gehört und verstanden zu werden“.
Als Grundlage der Mahler(-Wie- der-)Entdeckung dienten in den 1960er Jahren die ersten kritischen Editionen im Rahmen der Gesamtausgabe, herausgegeben von der Internationalen Gustav Mahler Gesellschaft. Diese Notentexte sind im Konzertleben etabliert. Gleichwohl tauchten im Laufe der vielen Jahre dieser Gesamtausgaben-Edition immer neue Quellen auf. Sie war ein Work in Progress, genau wie Mahlers Werk selbst, denn für seine Retuschen und Änderungen war er bekannt, wenn nicht berüchtigt.
Für einen Herausgeber ist es gerade im Fall von Mahlers Symphonik schwer zu entscheiden, ob die Retuschen nicht doch nur den örtlichen akustischen Verhältnissen, also der jeweiligen Aufführung, geschuldet waren. Im Vorwort zur vor- liegenden Neuausgabe schreibt der Herausgeber Christian Rudolf Riedel: „Ausgehend von einer mutmaß- lichen ‚Fassung letzter Hand‘, die sich in der musikalischen Praxis inzwischen durchgesetzt hat und die ihrerseits wiederum Grundlage für die Arbeit unzähliger Mahler-Forscher war, erschien die neue kritische Durchsicht des Notentextes ge- boten, um eine größere inhaltliche Verlässlichkeit zu bieten.“ Man ha be die Quellenbewertung der Kritischen Gesamtausgabe nicht grundsätzlich in Frage stellen wollen, ha be aber eine große Anzahl an Präzisierungen im Notentext vorgenommen sowie editorische Unstimmigkeiten und seitdem bekannt gewordene Fehler berichtigt. Der Neusatz von Partitur und Orchesterstimmen in größerem Format und Rastral sorge erstmals für eine einheitliches Erscheinungsbild und optimale Lesbar- keit. Besonderes Augenmerk, so der Herausgeber, wurde auf die Praktikabilität der Orchesterstimmen gelegt, die in Zusammenarbeit mit Or- chester-Bibliothekaren erarbeitet wurden und die neben den selbstverständlichen Notwendigkeiten wie Orientierungssystemen und Wende- möglichkeiten „auch spezielle praktische Aspekte berücksichtigen wie transponierte Stimmen für heute nicht mehr gebräuchliche Wechselinstrumente“.
Der Kritische Bericht listet die Vielzahl von Quellen auf. Das Druck- bild und vor allem die Stimmen sind etwas komfortabler zu lesen als die Ratz-Edition von 1962. In seinem Vorwort beschreibt Constantin Floros, einer der wichtigen Mahler-Wissenschaftler, mit vielen Selbstzeugnissen Mahlers Ideenwelt zur Zeit der “Wunderhorn”-Symphonien. Die vorliegende Ausgabe ist ein Fortschritt für die Aufführungen.
Gernot Wojnarowicz