Saint-Saëns, Camille

Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 78

hg. von Michael Stegemann, Urtext, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2017
erschienen in: das Orchester 09/2017 , Seite 66

Als Camille Saint-Saëns 1885 begann, seine 3. Sinfonie als Kompositionsauftrag der London Philharmonic Society niederzuschreiben, hatte er den Zenit des Erfolgs bereits erreicht. Trotz des Todes seiner Söhne und dem Scheitern seiner Ehe einige Jahre zuvor gehörte er mittlerweile zu den gefeierten Lieblingen des Pariser Musiklebens: Mitglied der „Akademie der Schönen Künste“ und frisch ernannter Offizier der Ehrenlegion. „Ich habe in diesem Werk alles gegeben, was ich geben konnte“, beteuerte er noch Jahre später und blickte mit Stolz auf die 1886 unter seiner Leitung in London uraufgeführte und ein Jahr später schon (vor der Pariser Erstaufführung) revidierte Sinfonie, die in Frankreich wegen des Orgelparts den Beinamen „avec
orgue“, also „mit Orgel“, außerhalb seines Vaterlandes aber „Orgelsinfonie“ erhielt.
So ist es kein Wunder, dass der Bärenreiter-Verlag seine (geplante) Urtext-Reihe mit Kritischen Ausgaben der Orchesterwerke Camille Saint-Saëns’ mit dieser, dem Andenken Franz Liszts gewidmeten, Sinfonie beginnen lässt. Als Herausgeber verantwortlich zeichnet der mit dem Œuvre Saint-Saëns’ vertraute Michael Stegemann. Er weist zu Recht schon im Vorwort auf wichtige aufführungspraktische Besonderheiten der Sinfonie hin. Zum einen mahnt er, den Orgelpart nicht überzuinterpretieren: Die Sinfonie ist eben eine Sinfonie mit Orgel und kein Orgelkonzert. Auch betont er die Wichtigkeit eines genauen dynamischen Spiels in allen Instrumentalgruppen.
Die Entscheidung zwischen einer aufführungspraktischen oder kritisch-musikwissenschaftlichen Edition fällt hier klar zu Gunsten der Praktiker aus. Im Vergleich zur Ausgabe, die seinerzeit im Pariser Verlag Durand erschien, ist das Notenbild vereinheitlicht: Haltebögen, Staccatopunkte und sonstige Spielanweisungen sind angeglichen. Bei einer kleinen Änderung im Orgelpart folgt Stegemann dem Vorschlag Daniel Roths, des Titularorganisten der Pariser Kirche St. Sulpice, die das Notenbild an die Spielpraxis der Zeit, wie sie Jacques-Nicolas Lemmens einführte, anpasst. Und immerhin war Saint-Saëns als Organist stark durch Lemmens’ Spiel und Lehre geprägt. Eine Änderung, die also durchaus Sinn macht!
Leider fehlen in dieser Dirigierpartitur der Kritische Apparat und die genauen Quellenangaben, dafür muss man dann schon die Werkausgabe desselben Verlags zu Rate ziehen. Ansonsten aber hat Bärenreiter eine sauber editierte und zeitgemäße Partitur der großen Sinfonie vorgelegt, die jede Anforderung an die Praxis und das Studium voll erfüllt.
Markus Roschinski