Mahler, Gustav
Symphonie Nr. 2 c-Moll
2 CDs
Die vorliegende Aufnahme dokumentiert ein im doppelten Sinn des Wortes denkwürdiges Konzertereignis. Denn der Mitschnitt der Aufführung der Mahler’schen “Auferstehungssinfonie” mit der Staatskapelle Dresden unter Bernard Haitink aus der Semperoper entstand im Gedenkkonzert zum 50. Jahrestag der Bombardierung der Elbestadt am 13. Februar 1995. Diese Konzerte in Erinnerung an die furchtbare Schreckensnacht des Jahres 1945 haben Tradition in Dresden und fanden mit unterschiedlichen Programmen statt. Dass ausgerechnet zum 50. Jahrestag Mahlers großes eschatologisches Werk, das ein Werk über Leiden, Leben, Tod und Auferstehung, aber auch eines über universelle Versöhnung ist, erklang, ist besonders sinnfällig. In New York wurde jüngst zum 10. Jahrestag der Anschläge vom 11. September auch Mahlers Zweite gespielt.
Der nun als Volume 33 in der Edition Staatskapelle Dresden erschienene Mitschnitt, der klanglich von großer dynamischer Bandbreite und plastischer Vergegenwärtigung der vielen Raumklangwirkungen des Werks ist, lässt in der Tat auch die besondere Aura des Abends spüren, bei dem auf Beifallsbekundungen verzichtet wurde und im Anschluss Mitwirkende und Besucher zur Ruine der Frauenkirche gingen, um eine Kerze anzuzünden.
Bernard Haitink gehört fraglos zu den bedeutendsten Mahler-Dirigenten unserer Zeit. Als einer der ersten hat er mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam in den 1960er und frühen 1970er Jahren alle Sinfonien eingespielt und später mit den Berliner Philharmonikern einen zweiten Zyklus gestartet. Wie auch der Dresdner Mitschnitt belegt, ist sein Mahler ausgezeichnet durch eine klare und schlüssige Entfaltung der Form, sehr große Genauigkeit im Detail, aber auch eine konzise und pointierte Ausdruckshaltung. So hat auch seine Zweite aus der Semperoper im ersten Satz und im Finale gewaltige Intensität und eine unmittelbar bewegende Sprachkraft. Doch nie erscheint Haitinks Mahler unkontrolliert, exzessiv oder haltlos subjektiv. Der niederländische Dirigent ist überlegener Sachwalter der riesenhaften Partitur und zwingender Verkünder von Mahlers sinfonischem Weltentwurf in einem.
Was diese Aufnahme zudem sehr wertvoll macht, ist das Spiel der Dresdener Staatskapelle, die ihren vollen, homogenen und warmen Klang sowie ihre Fähigkeit zu emphatischer Kantabilität hier aufs Schönste entfaltet. Insbesondere die Einsätze der Blechbläser sind von erhabener Wirkung. Mit der Sopranistin Charlotte Margiono, der Altistin Jard van Nes sowie dem Chor der Sächsischen Staatsoper Dresden und dem Sinfoniechor Dresden sind auch die Vokalpartien im vierten und fünften Satz vorzüglich besetzt.
Ganz hervorragend ist auch das reich bebilderte und umfangreiche Booklet, das viele wesentliche Informationen zum Werk, zum Konzert und zu Mahler in Dresden bringt.
Karl Georg Berg