Mahler, Gustav

Symphonie No. 6 / Symphonie No. 8

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bamberger Symphoniker, Ltg. Jonathan Nott
erschienen in: das Orchester 03/2014 , Seite 79

Der Mahler-Zyklus mit den Bamberger Symphonikern unter ihrem Chefdirigenten Jonathan Nott ist (fast) fertig. Mit der sechsten und achten Sinfonie liegen nun alle vollendeten und nummerierten Sinfonien vor. Da Nott und die Bamberger in Konzerten auch schon mehrfach das Adagio der Zehnten und das Lied von der Erde aufführten, dürfte davon eine Aufnahme wohl auch noch folgen. Nott und sein Orchester sind in Sachen Mahler längst eine, wenn nicht die führende Institution unserer Zeit. Das belegen einmal mehr die nicht anders als kongenial zu nennenden Einspielungen der Sechsten und Achten.
Die instrumentale Sechste zeigt deutlich die einzigartige Intensität der Mahler-Deutung des englischen Dirigenten und die sagenhafte Qualität des Orchesters. Nichts bleibt hier an musikalischer Aussage und existenzieller Tiefe der Musik unerschlossen oder an der Oberfläche. Kein Detail wird übertrieben – und doch ist die Entfaltung der Partitur von größter Differenzierung und Genauigkeit. Vor allem in der Disposition der Zeit und der Binnendynamik schafft Nott schier in jedem Takt bewegende Eindrücke. Ein gutes Beispiel in der Sechsten ist das Andante moderato. Es fließt wunderbar gesanglich und ist in jedem Augenblick unverwechselbar gefärbt und tief gefühlt. Die ganze Schmerzlichkeit der „tragischen“ Sechsten, ihre Katastrophenfelder, aber auch ihre wenigen lichten Bilder, vor allem im riesenhaften Finale, haben gerade, weil die Musik innerlich nachempfunden wird, eine erschütternde Wirkung.
Bewundernswert sind auch bei der sogenannten Sinfonie der Tausend die Fülle der dynamischen Nuancen und Klangfarben sowie die hohe Kunst des Übergangs und der Zeitgestaltung. Doch viel mehr macht Staunen, dass Nott in jedem Takt nicht nur die ins Gigantische gesteigerten Klangmassen verwaltet, sondern immer ungemein subtil Mahlers Partitur gestaltet. Die instrumentale Einleitung zum zweiten Teil etwa hat überragende Differenzierung und Feinheit.
Sensationell ist, dass Jonathan Nott das Feuer, die Emphase der Musik stets bewegend-erregend glühen lässt, sich aber nie dem Überschwang in äußerlicher Weise hingibt. Er vermittelt dem Werk vielmehr in betörender Weise immer wieder einen warmen, ja zärtlichen Ton. Er lässt in vielen
lyrischen Momenten, u.a. im Übergang zu dem dann wie aus dem Nichts kommenden abschließenden Chorus mysticus, Liebesmusik in reinster Schönheit erklingen. Es gelingt ihm, das Großartige des Werks unbedingt zu vergegenwärtigen und zugleich die intime Innenseite der Sinfonie zu offenbaren. Die Bamberger Symphoniker folgen ihrem Dirigenten auf phänomenalem Niveau. Der Chor der Bamberger Symphoniker, der Tschechische Philharmonische Chor und der Windsbacher Knabenchor glänzen durch die Klarheit und Intensität ihres Singens.
Die Sopranistinnen Michaela Kaune, Manuela Uhl und Marisol Montalvo (Mater gloriosa), die Altistinnen Janina Baechle und Lioba Braun, der Tenor Stefan Vinke, der Bariton Michael Nagy und der Bassist Albert Dohmen tragen als Solisten zur prägenden Bedeutung dieser Aufnahme bei.
Karl Georg Berg