Mieczysław Karłowicz

Symphonic Poems Fryderyk Chopin /Allegro de concert

Konrad Binienda (Klavier), Royal Philharmonic Orchestra, Ltg. Grzegorz Nowak

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Dux
erschienen in: das Orchester 06/2021 , Seite 75

Eine traurige Geschichte: Gerade in jenem Moment, in dem Mieczysław Karłowicz als führender Kopf der Gruppe „Junges Polen“ hervortrat und seine Musik auch in der Heimat Resonanz und Anerkennung fand, war sein Leben jäh zu Ende: Am 8. Februar 1909 wurde der 33-jährige auf einer einsamen Skiwanderung in der Tatra von einer Lawine verschüttet. Die Episode auf einem Maskenball op. 14, die letzte seiner sechs Tondichtungen, die seit 1904 entstanden waren und denen er sein Renommee verdankt, blieb unvollendet; 1913 hat sie dann sein Mitstreiter, der Dirigent Grzegorz Fitelberg, fertiggestellt und zur Aufführung gebracht.
Seine musikalische Ausbildung hatte Mieczysław Karłowicz, der am 11. Dezember 1876 in einer reichen und gebildeten litauisch-polnischen Adelsfamilie geboren wurde, vor allem während der vielen und oft langen Aufenthalte in Deutschland erhalten – besonders prägend waren die Berliner Jahre 1895-1901 durch den gründlichen und vielseitigen Kompositionsunterricht bei Heinrich Urban, das pulsierende Musikleben und die Einflüsse von Wagner, Bruckner und Strauss sowie durch Kontakte zu den Konzertmeistern der Berliner Philharmoniker, die sein Instrumentationstalent förderten und die Uraufführung vierer Werke bewirkten – darunter die Sinfonie Wiedergeburt op. 7 und das Violinkonzert op. 8. Und auch als sich Karłowicz ab 1900 im Warschauer Musikleben engagierte, blieb er „Pendler“, bis er 1906 nach Zakopane zog, ins Refugium der modernen Literaten und Musiker Polens.
In Karłowiczs Meisterwerk Stanislaw und Anna Oswiecim op. 12, der polnischen Travestie von Romeo und Julia nach einer alten Legende von einer unglückseligen Geschwisterliebe, kulminieren die kunstvoll exponierten und verflochtenen Themen der Leidenschaft, der Zärtlichkeit und des Unheils in einer erschütternden Trauermusik. Und die nachfolgenden Stücke tragen die tiefe Melancholie der Erzählungen Drei Begegnungen und Eine unerwiderte Liebe von Iwan Turgenjew in sich, den der Komponist besonders mochte.
Rauschende Ballmusik, wehmütige Walzer-Reminiszenzen und eine lange, trostlose Melodie zeichnen die Episode auf einem Maskenball nach: Klänge voller Sehnsucht, Hoffnung und Verzweiflung. Und Eine traurige Geschichte – Präludien für die Ewigkeit ist von Todesahnungen durchzogen – ein gedankenschwer und ausweglos kreisender Monolog, den ursprünglich ein Pistolenschuss beenden sollte.
Mit virtuosem Glanz, Balladen-Ton und Nocturne-Zauber bildet Fryderyk Chopins Allegro de Concert op. 46 (1841) den vitalen Kontrast zu den Fin-de-Siècle-Stimmungen. Der polnisch-amerikanische Pianist Konrad Binienda hat das Stück orchestriert und trägt es ebenso brillant wie feinnervig vor. Grzegorz Nowak und das Royal Philharmonic Orchestra imponieren zudem als exzellente Anwälte der großartigen Partituren – leider wird ihr Höhenflug durch die zuweilen flach und trocken klingende Tonaufnahme abgeschwächt.
Eberhard Kneipel