Riggenbach, Paul (Hg.)

Symbol- und Wörterbuch der Musik

Mit über 700 Notenbeispielen sowie ergänzenden Beiträgen und Tabellen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: OdradeC, Hamburg 2010
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 68

Auf diese Idee ist bisher offenbar noch niemand verfallen: ein Lexikon musikalischer Symbole zu erstellen. Denn welcher Art von Alphabet soll ein solches Lexikon in seiner Anordnung folgen? Es braucht wohl einen Autor mit gleichermaßen musikalischem wie mathematischem Sachverstand, um ein solches Projekt ins Werk zu setzen. Paul Riggenbach, der als Herausgeber des hier zu besprechenden Symbol- und Wörterbuchs der Musik fungiert, vereinigt Kompetenz für beides in sich und hat zusammen mit weiteren Autoren den Inhalt des vorliegenden, in leider nicht ganz stabiler spiralisierter Form erschienenen Bands erstellt.
Es ist eine Art topologische Klassifikation von grafischen Zeichen, die Paul Riggenbach sich hat einfallen (und patentieren) lassen. Vereinfacht ausgedrückt: Der Benutzer muss beim einzelnen Symbol zunächst die Anzahl seiner (geraden oder krummen) Linien ermitteln und als zweites dessen Ecken bzw. Enden zählen. Diesen beiden Kennzahlen gemäß kann er es im Verzeichnis finden, wozu als drittes Anordnungskriterium noch seine relative Größe hinzutritt. Einzelpunkte und Flächen werden ignoriert, ebenso Verdickungen. Natürlich ist beim Benutzer ein wenig geometrisches Abstraktionsvermögen gefordert und es bleiben gewisse Leseprobleme. So muss man z.B. verstehen, dass das Doppelkreuz (für Erhöhung um einen Ganzton) aus zwei (und nicht etwa vier Linien) bestehend angesehen wird und der Kreuzungspunkt in der Mitte nicht als Ecke zählt.
Von solchen Zweifelsfällen abgesehen, wird man, auch wenn man die beigegebene wissenschaftlich eingehendere Erläuterung des Systems nicht liest, in der Regel ohne längeres Suchen in den Tabellen fündig. Hier werden sowohl das reine Symbol wie sein Auftreten im Kontext gezeigt, dann sein Einsatzbereich genannt und Bezeichnung und Bedeutung angeführt. Querverweise auf andere Symbole und auf ein anschließendes traditionell sprachliches Wörterbuch erschließen weitere Zusammenhänge.
Wie groß ist der Bedarf an einem solchen umfassenden Symbol-Lexikon? Gibt es wirklich den Nutzer, der zugleich die sehr eigenständigen Notationsgewohnheiten im Bereich der Musik für Schlagzeug und jener für Akkordeon verstehen will? Freilich: der gleiche Einwand kann im Prinzip auch gegen das herkömmliche Lexikon der Begriffe erhoben werden, welches kein Leser jemals zur Gänze ausschöpfen wird. Der Markt wird letztlich entscheiden, auf wie viel Interesse die vorliegende Publikation stößt.
Außer den zentralen lexikalischen Bereichen bietet der Band noch einigen Zusatzservice: Tabellen von Akkordsymbolen, Instrumenten (in mehreren Sprachen) und ihren Abkürzungen, Noten- und Pausenwerten, Notenschlüsseln und von Verzierungen. Hinzu kommen ferner noch Artikel zur Ornamentik, zu „Musikalischen Zeichen in Neuausgaben Alter Musik“ und zur „Notation in Neuer Musik“: Gerade Letztere lässt sich in ihrem Übergang zur freien Grafik nicht mehr systematisch in einem Symbolbuch erfassen und deuten.
Gerhard Dietel