Werke von Max Reger, Adolf Busch und Justus Weinreich

Suites for Viola

Roland Glassl (Viola)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: audite 97.721
erschienen in: das Orchester 07-08/2016 , Seite 77

Roland Glassl, von 1999 bis 2015 Bratscher des Mandelring Quartetts, legt seine Debüt-CD als Solist mit Einspielungen von Suiten von Max Reger, Adolf Busch und Justus Weinreich für Viola solo vor, die beim Label Audite erschienen ist. Glassl erklärt seine Werkauswahl folgendermaßen: „Suiten haben mich schon immer fasziniert, sei es die uns bekannten von Bach oder Reger oder neuere Kompositionen. Es ist immer hochinteressant, wie Komponisten mit der Umsetzung von Tanzsätzen im Allgemeinen und bei einem Streichinstrument insbesondere vorgehen.“
Die Werke von Max Reger, Adolf Busch und Justus Weinreich entstanden zwischen 1894 und 1925, also noch vor dem großen Aufschwung der solistischen und konzertanten Violaliteratur des 20. Jahrhunderts. Die Suiten von Johann Sebastian Bach waren für die drei Komponisten das Vorbild, die stilistischen und virtuosen Möglichkeiten um 1900 der Maßstab. So konnten die Komponisten die Bach’schen Formeln und Methoden mit dem damals modernen Bewusstsein individuell ausformen. Reger beispielsweise übernahm zwar von Bach den Gattungstitel, gestaltete seine Suiten jedoch als viersätzige Sonaten; er widmete seine Suiten drei Freunden und guten Kollegen, eine vierte Suite sollte Karl Doktor, dem damaligen Bratscher des Busch-Quartetts, gewidmet werden. Der Komponist starb jedoch vor Vollendung des Werks. Adolf Busch, Primarius des gleichnamigen Quartetts, vollendete mit seiner Suite gleichsam das Vorhaben Regers, deshalb wird seine Suite, die er übrigens auf einer Zugfahrt komponiert hat, auch Regers vierte genannt. Wie Reger hat auch Busch versucht, die Form der Suite mit Elementen der Sonate zu verbinden: So tragen drei der vier Sätze barocke Untertitel.
Was die Aufnahme besonders macht, sind die drei Suiten von Justus Weinreich aus dem Jahr 1894, die erstmals auf Tonträger eingespielt wurden. Der Komponist hat in Karlsruhe als Musiker und Pädagoge gewirkt und sah sich der Brahms-Tradition zugehörig. Keinem anderen Komponisten wäre es zu dieser Zeit in den Sinn gekommen, Solo-Suiten für ein Streichinstrument zu komponieren. Auch seine Suiten sind viersätzig gehalten, orientieren sich aber noch stärker am barocken Vorbild. Weinreich überträgt diese Form sehr fantasievoll in seine Zeit und erzeugt eine romantische Tonsprache, die den Zuhörer sofort einnimmt, dabei aber auch höchste Ansprüche an den Interpreten stellt. Roland Glassl wird diesen Ansprüchen mehr als gerecht, in allen Suiten überzeugt er mit einem klangschönen und warmen Ton. Aber auch die hochvirtuosen Passagen bewältigt er souverän, dabei immer bedacht, Zäsuren in der Musik deutlich hervorzuheben. Besonders bei Weinreich merkt man ihm an, diesen Komponisten aus dem Schattendasein holen zu wollen. Diese Entdeckung zeigt wieder einmal deutlich, dass die Literatur für Bratsche umfassender ist, als manch einer denkt!
Mano Eßwein