Johann Sebastian Bach/ Bernd Alois Zimmermann
Suiten I und III / Sonate
Mischa Meyer (Violoncello)
Vor rund dreißig Jahren konstatierte ein renommierter Musikwissenschaftler im Zusammenhang mit Bernd Alois Zimmermanns Sonate für Violoncello solo, dieses Werk gehöre fast schon ins Repertoire der Konzertreifeprüfungen an Musikhochschulen. Aus heutiger Sicht muss man den damaligen Optimismus leider gehörig relativieren: Ein Repertoirestück ist dieses epochale Werk mitnichten geworden. Es bleibt der Begeisterung und Ausdauer einzelner Interpreten überlassen, sich mit dem exorbitant schwierigen Stück zu beschäftigen.
Zur überschaubaren Schar derer, die diese Sonate können, gehört der 1983 geborene Cellist Mischa Meyer. Und wie er sie kann! Mit staunenswerter Leichtigkeit, Klarheit der Tongebung bis in die Extrembereiche der Dynamik, absoluter technischer Souveränität selbst in den exponiertesten Lagen und bei vertracktesten Doppelgriffen interpretiert Meyer Zimmermanns 1960 komponierten Solitär. Verglichen mit der Pionieraufnahme des großen Siegfried Palm der die Sonate aus der Taufe hob und dessen Verdienste allein aus diesem Grund ungeschmälert bleiben besticht die Eleganz, mit der zumal die filigranen Passagen hier erklingen, wenngleich das eine oder andere Presto possibile vielleicht einen Tick weniger wagemutig gespielt ist, als wir es vom Berserker Palm erinnern. Dass sich Zimmermanns Komponieren keineswegs in philosophischen Konstrukten erschöpfte, dass er vielmehr ein Klang-Erfinder par excellence war, ist in Meyers grandioser Interpretation der Cellosonate deutlich zu vernehmen.
Mischa Meyer, ehedem Schüler von Martin Ostertag und David Geringas, Gewinner des 1. Preises im Deutschen Musikwettbewerb und seit 2007 Solocellist des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, legt mit dieser Einspielung seine erste Solo-CD vor, die am Anfang einer zyklischen Wiedergabe aller sechs Solosuiten von Johann Sebastian Bach steht. In den Suiten I und III sie umrahmen Zimmermanns Sonate gelingt es Meyer perfekt, tänzerische Gestik und zugleich die Komplexität Bachscher Harmonik und Motivverläufe hörbar zu machen. Erfahrungen und Eindrücke der historisch informierten Aufführungspraxis sind mit größter Selbstverständlichkeit in ein sonores, ausgewogenes, fein artikuliertes Spiel auf dem modernen Cello (Meyer spielt in der Tat auf einem 2012 von Robert König gebauten Instrument) eingeflossen. Hier und da glauben wir, einen Hauch von Hektik beim Wiederansetzen einer Wiederholung zu verspüren, aber dies verringert kein bisschen das große Hörvergnügen, das Meyers Bach-Spiel bereitet.
Ein fundierter, gleichwohl nicht makelloser Einführungstext (dass eine letzte Nummer beschließenden Charakter hat, dürfte feststehen; zudem beginnt die Sonate nicht mit dem Ton Es, sondern mit B, gefolgt von einem A: angesichts der latenten Präsenz des B-A-C-H-Motivs im gesamten Werk gewiss kein Zufall!) gibt dem Interessierten wichtige Einstiegsinformationen.
Wir freuen uns auf die Fortsetzungen!
Gerhard Anders