Popper, David

Suite / Walzer-Suite

op. 16bis for violoncello and piano / op. 60 for violoncello and piano, jeweils Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Paladino, Wien 2014 und 2015
erschienen in: das Orchester 10/2015 , Seite 69

Profi-Cellisten – und solche, die es werden wollen – kommen an David Popper nicht vorbei. Seine Etüden begleiten die Vertreter der Zunft auf Schritt und Tritt, wobei der ungarische Meistercellist (1843-1913) wunderbarerweise das gesamte Spektrum von „leicht“ über „mittelschwer“ bis hin zu den Gipfeln der Virtuosität mit zahlreichen Preziosen bedacht hat.
Poppers Etüdenwerk entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts, begleitend zu seiner Lehrtätigkeit am Budapester Konservatorium. In den Jahrzehnten zuvor hatte er, nach Orchesterjahren an der Wiener Hofoper, eine glanzvolle Solistenkarriere durchlaufen. Er pflegte Kontakte zu Liszt und Brahms, setzte sich für den weithin verkannten Bruckner ein, feierte Erfolge als  Uraufführungssolist von Robert Volkmanns Cellokonzert und fand daneben Zeit, eine Reihe charmanter Piècen für sein Instrument zu schreiben. Abgesehen vom hyper-zirzensischen Elfentanz, der noch heute den einen oder anderen Celloabend spektakulär beschließt, sind diese Stücke kaum mehr im Konzert oder bei Vortragsabenden der Hochschulklassen anzutreffen. Um so dankenswerter die Initiative des Verlags Paladino Music und der Editoren Martin Rummel und Alexander Hülshoff – zweier renommierter Cellisten, die solistisch und als Kammermusiker international gefragt sind –, dieses Repertoire in Neuausgaben wieder zugänglich zu machen.
Das vergleichsweise bekanntere der hier vorgelegten Werke ist die Suite op. 16bis, eine geschickt gesetzte Cello-Klavier-Adaption der Suite op. 16 für zwei Celli. Allenfalls ihr 2. Satz, eine Gavotte, gemahnt an barocke Gattungsvorgänger, ansonsten darf der Begriff Suite verstanden werden als Folge von Charakterstücken. Die technischen Anforderungen der ersten vier Sätze sind beträchtlich, sie werden indes noch übertroffen durch den abschließenden fulminanten Marsch mit seinen triller-durchsetzten Oktavkaskaden. Popper hat zu seiner Suite einen alternativen (weniger virtuosen) Finalsatz geschrieben, der ebenfalls in dieser Ausgabe enthalten ist. Verglichen mit Opus 16bis nimmt sich die Walzer-Suite op. 60 technisch überschaubarer, musikalisch hingegen nicht weniger charmant aus.
Beide Ausgaben enthalten jeweils zwei Cellostimmen: eine, die den Text des Erstdrucks inklusive der Popper’schen Fingersätze wiedergibt, und eine weitere, vom betreffenden Herausgeber bearbeitete. Hierdurch wird ein Manko der (bei Bärenreiter vorgelegten) Etüdenausgaben Martin Rummels – die Unkenntlichmachung der cellistischen Ideen Poppers zugunsten „zeitgemäßer“ Einrichtung – glücklich vermieden. Gleichwohl finden sich auch hier diskussionswürdige Aktualisierungsbemühungen: Poppers Verwendung aller drei Schlüssel im 5. Walzer von op. 60 hat durchaus suggestive Qualität, sie signalisiert unterschiedliche Register. Warum muss dergleichen vereinheitlicht werden?
Marginalien, die das positive Fazit nicht ernsthaft gefährden. Dies sind zwei sehr lohnende, erfreuliche Neuerscheinungen.
Gerhard Anders