Katharina Wagner/Holger von Berg/Marie Luise Maintz (Hg.)
Sündenfall der Künste?
Richard Wagner, der Nationalsozialismus und die Folgen
Die Verschriftlichung von Vorträgen und Diskussionen eines wissenschaftlichen Symposiums bietet keine Gewähr dafür, dass am Ende eine gelungene Publikation steht; diese Erkenntnis findet sich hier einmal mehr bestätigt. Am Rande der Bayreuther Meistersinger-Premiere von 2017 fand dort ein zweitägiges Symposium statt, dessen erster Tag (festgehalten auf 65 Seiten) unter dem leicht modifizierten Titel stand, den auch das Buch trägt; am zweiten Tag (festgehalten auf 119 Seiten) wurde diskutiert über: „Oper ohne Wagner? Musik ohne Oper? – Die Situation der Künste nach der ,Stunde Null‘ und in der Neuorientierung der 1950er-Jahre“.
Mit anderen Worten: Der Buchtitel stimmt nicht – und doch passt er wunderbar zum Ganzen, denn es geht tatsächlich a) um Wagner, b) um den Nationalsozialismus und c) um irgendwelche Folgen. Die gewiss naheliegende Erwartung, die drei Themenfelder würden durchgehend und konsequent aufeinander bezogen, wird jedenfalls enttäuscht. Man liest Bekanntes über Thomas Mann, viel über Neue Musik und die Darmstädter Ferienkurse, der anwesende Komponist Dieter Schnebel wird hofiert, weiter über die Pop- und Comic-Kultur in den USA, über die Renaissance der Barockoper und anderes mehr. Dagegen findet sich beispielsweise kein einziger Beitrag über die Bayreuther Festspiele zwischen 1933 und 1944. Der wirklich gute, auf eigenen Forschungsarbeiten beruhende Beitrag von Friedemann Pestel über „Wagner auf internationalen Orchestertourneen in den 1930er- bis 1960er-Jahren“ ist hier absolut verschenkt.
Die abgedruckten Gespräche, die 75 Seiten des Bandes ausmachen, sind eigentlich durchgehend entbehrlich: Man kennt sich, schätzt sich, duzt sich – entsprechend gering ist der Erkenntnisgewinn. Auf Seite 50 etwa spürt man förmlich, wie unwohl sich ein Kenner wie Ulrich Konrad in dieser Gesellschaft fühlt. Dazu kommen sachliche Fehler (Siegfried wird kurzerhand in die Walküre versetzt, S. 123), Redundanzen, Wiederholungen von Vortrag zu Vortrag und eine völlig unzureichende Aufarbeitung der Literatur.
Autoren wie Michael Karbaum, Susanne Grossmann-Vendrey, Egon Voss, ja selbst Oswald Georg Bauer mit seiner monumentalen Geschichte der Bayreuther Festspiele sucht man vergeblich. Vor diesem Hintergrund nimmt sich der bisweilen lässige und selbstgefällige Ton mancher Autoren umso befremdlicher aus. Noch einmal: Beim locker moderierten Podiumsgespräch sieht der Besucher über so etwas hinweg; beim Lesen stößt es dagegen übel auf.
Es gibt kein zusammenfassendes Literaturverzeichnis und das Personenregister erstreckt sich nicht auf die Anmerkungen; diese sind zudem nachgereicht, zweispaltig formatiert und fordern so zum Überblättern geradezu heraus. Auch dies ist in einer Publikation, die wissenschaftlichen Anspruch erhebt, ein Ärgernis.
Ulrich Bartels