Ludwig van Beethoven

String Trios op. 9 Nos. 1-3

Trio Boccherini: Suyeon Kang (Violine), Vicki Powell (Viola), Paolo Bonomini (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 12/2020 , Seite 74

Bevor Beethoven sich in der kammermusikalischen Königsdisziplin Streichquartett unsterblich machte, lotete er kurz, aber ausführlich die Möglichkeiten des Streichtrios aus. Nach den frühen Opera 3 und 8, die noch stark an Mozart und Haydn anknüpfen, bilden die drei Trios op. 9, die der gerade aus der Bonner Provinz Abgereiste als eine Art Visitenkarte für seine neue Heimat Wien von 1796 bis 1798 zu Papier brachte, zugleich Höhe- wie Endpunkt dieser Gattung in seinem OEuvre und setzen Maßstäbe bis in die Gegenwart. Innovative, ganz schön vertrackte, in jeder Beziehung anspruchsvolle Musik für Kenner, die an den Instrumenten Profis viel eher als gute Laien voraussetzt.
Nun ist es sicher diesem so erschreckend musikarmen Jubiläumsjahr zuzuschreiben, dass das Trio Boccherini Beethovens op. 9 für die CD aufnimmt, produziert vom exzellenten Leipziger Label Genuin. Die drei Musiker – Suyeon Kang (Violine), Vicki Powell (Viola) und Paolo Bonomini (Cello) – haben 2014 in Berlin zusammengefunden und sind seitdem zu einer der interessantesten Kammermusikbestzungen im Klassikzirkus gereift.
Drei Musiker, drei kulturelle Hintergründe, ein Ziel: Einheit. Daran arbeitet das Trio Boccherini stetig und mit kontinuierlichen Impulsen von Mitgliedern renommierter Kammermusiker wie Rainer Schmidt (Hagen-Quartett) oder Hatto Beyerle und Günter Pichler (Alban Berg Quartett). Und gleich bei den ersten Klängen des G-Dur-Trios, der Nummer 1, fällt dieser unbedingte Wille der Musiker ins Ohr, sowohl die je eigene Individualität in die Waagschale zu werfen wie zugleich das Vermögen, einander zuzuhören und die Stimmen der alten italienischen Instrumente einander anzupassen im Dienste eines höheren Ganzen.
So genießt man souverän austarierte Klänge in den langsamen Sätzen ebenso wie wildes kontrapunktisches virtuoses Getös’ in den Scherzi oder den Finalsätzen. Das Trio Boccherini bringt ganz offensichtlich die nötige Neugierde mit, das klassische Repertoire auf seine Relevanz zu befragen, quasi gegen den Strich zu bürsten. Das wird ohrenfällig etwa in ziemlich gewagten Tempi der schnellen Sätze, an der Lust, Beethovens formale und harmonische Eskapaden auszukosten. Und an der großen Sorgfalt, mit der die langsamen Sätze phrasiert und klanglich gestaltet sind.
Im Ohr stellt sich demnach Wohlbefinden ein. Es macht Vergnügen, Beethovens Werk wieder einmal auf einem Seitenweg zu begegnen, mit all den Assoziationen, die das Opus 9 etwa im Hinblick auf die nur ein Jahr später entstandenen Streichquartette op. 18 auslöst. Dass dabei das Fehlen einer Zweiten Geige – zum vierstimmigen Ideal! – kaum auffällt, ist das Verdienst der drei Musiker aus Berlin, die von der famosen Geigerin unmissverständlich angeführt und zugleich inspiriert werden. Es wird Zeit, die drei einmal wieder live erleben zu können.
Armin Kaumanns