Mieczysław Weinberg/ Krzysztof Penderecki/ Alfred Schnittke

String Trios

Trio Lirico: Franziska Pietsch (Violine), Sophia Reuter (Viola), Johannes Krebs (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite
erschienen in: das Orchester 01/2020 , Seite 79

Auf den ersten Blick scheinen die drei auf dieser CD versammelten Komponisten viel gemeinsam zu haben, haben sie doch alle zumindest den größten Teil ihrer künstlerischen Laufbahn hinter dem Eisernen Vorhang verbracht. Zudem steht keiner der drei wirklich im Verdacht, allzu gefällige oder glatte Musik zu schreiben. Es ist eher schwere musikalische Kost, die von Mieczysław Weinberg, Krzysztof Penderecki und Alfred Schnittke zu erwarten ist. Und mit dieser „schweren Kost“ kennt sich das Trio Lirico fürwahr aus – hat es doch nicht zufällig sein CD-Debüt vor drei Jahren mit Max Regers Streichtrios bestritten.
Eine gehörige Portion streicherisches Können, viel Übersicht und eine überragende gestalterische Linie hört man dem Trio Lirico in jedem der drei Werke an. Franziska Pietsch, Sophia Reuter und Johannes Krebs klingen zu jeder Zeit wie eine homogene Einheit – in manchen Passagen wie ein einziges Instrument, in anderen wie ein perfekt ausbalanciertes Orchester.
Weinbergs Streichtrio op. 48 aus dem Jahr 1950 glüht phasenweise regelrecht durch diesen Streichorchester-Ansatz. Bis hinein in feinste Pianissimo-Passagen hat man nicht den Eindruck, dass hier lediglich mit drei Instrumenten und drei Bögen gespielt wird. Messerscharf sind zudem die Akzente gesetzt, dramatisch die Kontraste gestaltet, und selbst die Pizzicati haben eine durchschlagende Wucht.
Nach diesem phänomenalen Auftakt, der leider nur kurze 15 Minuten dauert, hätte es Pendereckis Streichtrio eigentlich schwer, da es im Vergleich zu Weinbergs Komposition viel robuster und sperriger, vielleicht sogar etwas derber wirkt. Doch das Trio Lirico macht aus dem zu Beginn 1990er Jahre entstandenen Werk ein musikantisches Meisterstück. Geige, Bratsche und Cello glänzen mit solistischen Passagen, finden aber auch hier wieder zu einem voluminösen, doch stets gut durchstrukturierten Tutti zusammen. Und wieder ist das ganze Hörvergnügen nach einer Viertelstunde vorüber; doch diese Viertelstunde genügt den drei Interpreten, um einen geradezu prototypischen Penderecki-Klang zu entwickeln: direkt, plastisch und unverstellt wie ein Holzschnitt.
Zeitlich etwas weiter ausholen dürfen Franziska Pietsch, Sophia Reuter und Johannes Krebs dann im Finalstück dieser hervorragend produzierten und meisterhafte Tontechnik bietenden CD. Alfred Schnittkes rund halbstündiges Streichtrio, das er 1985 zum 100. Geburtstag Alban Bergs komponierte, ist eine rabenschwarze Fantasie über das Lied Happy birthday to you. Dieser musikalische Geburtstagsgruß klingt bei Schnittke mal bedrohlich und wütend, dann resigniert und tieftraurig. Das Trio Lirico verstärkt all diese Assoziationen mit einem hochkonzentrierten Spiel voller klanglicher Tiefenschärfe. Der Intensität der Darstellung kann man sich beim Hören dieser CD kaum entziehen.
Daniel Knödler