Eugène Walckiers

String Quintets No. 2 & 4

Fabergé-Quintett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: ES Dur
erschienen in: das Orchester 03/2022 , Seite 74

Das aus Mitgliedern des NDR Elbphilharmonie Orchesters bestehende Fabergé-Quintett ist fest mit einem Kontrabass besetzt, doch sehen die meisten Kompositionen für Streichquintett diesen nicht vor. Bei der daher notwendigen Suche nach passenden Werken findet dieses Ensemble unbekannte und vergessene, zum Beispiel die Quintette des französischen Flötisten und Komponisten Eugène Walckiers. Dieser taucht allenfalls in der Flötenliteratur als Bearbeiter auf, ansonsten ist sein Name nicht vertraut.
Der 1793 in Nordfrankreich Geborene wurde erst Militärmusiker in Napoleons Armee, ehe er ab 1816 zwischen Le Havre und Paris pendelnd Flöte und bei Anton Reicha Komposition studierte. Von 1830 bis zu seinem Tod im Jahr 1866 war Walckiers im Pariser Musikleben gefragt und vielbeschäftigt. Sein kompositorisches Werk konzentriert sich neben der Bearbeitung von Opernmusik für Flötenduos auf Kammermusik, mit der Flöte im Mittelpunkt. Für die Kammermusik-Konzerte des Kontrabassisten Achille Gouffé schrieb er vier Streichquintette, von denen das Fabergé-Quintett zwei für ihre Ersteinspielung ausgewählt hat.
Äußerlich auffällig ist die enorme Ausdehnung der Kopfsätze, die fast die Dauer der folgenden drei Sätze einnehmen. Deren Abfolge ist mit Scherzo respektive Minuetto, Andante und Finale traditionell. Im zweiten, George Onslow gewidmeten Quintett in c-Moll op. 94 legt Walckiers den Primariuspart noch alternierend als Flöten- oder Violinstimme an. Die Themen des ersten Satzes bilden wenig Kontrast, das zweite ist sehr liedhaft gestaltet, es erinnert an den frühen Schubert. Das Scherzo überrascht mit Hemiolen im Nachsatz, sein Trio kommt der Salonmusik nahe. Im langsamen Satz darf sich das Violoncello aussingen, klanglich herausgehoben ist ein zweites Thema als Fugato con sordino. Das Finale wartet mit spanischem Kolorit auf, u. a. mit einem Pasodoble-Rhythmus im Hauptthema.
Mehr noch als dieses zeigt das vierte Quintett in A-Dur (op. 108) opernhafte Züge. Die Konzeption des Hauptsatzes ähnelt dem des c-Moll-Quintetts: Die Themen breiten sich unterschiedlich instrumentiert ausgiebig aus, die Schlussgruppe nimmt das Hauptthema auf, die Durchführung (hier mit kurzem Fugato) ist knapp gehalten. Das Minuetto, ein Lied ohne Worte, weist wieder spanische Anklänge auf, das Trio volksliedhafte Einfachheit.
Walckiers legt seine Stücke formal blockhaft an, die Melodik ist meist periodisch, harmonisch klassisch-regelhaft, dabei diatonisch und gesanglich. Chromatik tritt nur vereinzelt in harmonischen Wen-dungen auf, selten überraschen Trugschlüsse oder Rückungen. Bezogen auf die Kompositonsgeschichte sind seine Quintette eher retrospektiv. Es überwiegt in vielen Passagen ein unterhaltender Charakter, wie ihn Schubert z. B. in seinem Oktett pflegt. Walckiers Stücke sind spielfreudig und angenehm anzuhören. Dies ist dem klangschönen und gut ausbalancierten Spiel des Fabergé-Quintetts zu verdanken. Zuweilen wäre etwas mehr Heftigkeit oder Witz in der Interpretation denkbar. Für Streichquintette mit Kontrabass sind diese Werke eine lohnende Aufgabe.
Christian Kuntze-Krakau