Davies, Peter Maxwell

String Quintet

Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, London 2016
erschienen in: das Orchester 10/2016 , Seite 60

Verhalf es zu Peter Maxwell Davies’ 75. Geburtstag noch dessen Streichsextett The Last Island zur Premiere, so wünschte sich das Londoner Nash Ensemble zu seinem eigenen 50. „Geburtstag“ im Jahr 2014 das nun gedruckt vorliegende Streichquintett des erst vor wenigen Monaten verstorbenen britischen Komponisten. Und wie es sich für ein Ensemble mit der Neigung zu eher ungewöhnlicheren und selten anzutreffenden instrumentalen Kombinationen gehört, widmet sich dieses Sally Groves (bis 2014 Creative Director bei Schott London und Verlegerin des Komponisten) gewidmete viersätzige Werk der selteneren der beiden üblichen Streichquintettbesetzungen mit zwei Celli, die Boccherini und Schubert populär gemacht haben.
Maxwell Davies, der im Verlauf seiner langen und dabei äußerst fruchtbaren Karriere als Komponist sehr häufig das Label „Avantgarde“ angeheftet bekam, der aber auch, gerade wenn es sich um Bühnenwerke handelte, durchaus publikumswirksam schreiben konnte, wählte für sein vermutlich letztes Streicheropus Ausdrucksformen, die einem auch schon in den zwischen 2004 und 2007 entstandenen Naxos- Streichquartetten begegnen. Ständige Taktwechsel, flexible Tempoverläufe, herbe Akzente und auch im Pianissimo extreme klangliche Kontraste prägen eine musikalische Struktur, die klassisch-dicht und hochexpressiv ist.
In allen vier Sätzen des knapp 25 Minuten langen Streichquintetts fordert Peter Maxwell Davies seine fünf instrumentalen Protagonisten. Das für die Uraufführung im Jahr 2015 verantwortliche Nash Ensemble und alle weiteren Interpreten dürfen auf höchstem technischen Niveau beweisen, was an Musikalität in zwei Violinen, einer Bratsche und zwei Violoncelli steckt. Die Satzbezeichnungen geben einen weiteren Hinweis auf die durchaus tänzerisch-extrovertiert gedachte Musik: Neben einer Slow Air an dritter Stelle sind es Chaconne,
Reel (ein schottischer Tanz) und Stamash (ein schottischer, vielleicht mit „Aufruhr“ zu übersetzender Begriff), die Bewegung, Tempo und eine vorwärtsdrängende Motorik besitzen.
Mit einer musikalisch wie immer akzentuiert auf den Punkt gebrachten Sprache mag Maxwell Davies’ Streichquintett in seiner Mischung aus klassischen (britischen) Formen und sehr lebensnahen Bezügen zur schottischen Wahlheimat des Komponisten eine schöne Bilanz seines kammermusikalischen Schaffens darstellen, in dem immer einmal wieder auch Folklore-Spiegelungen anzutreffen sind. Zu offensichtlich oder gar anbiedernd sind diese Bezüge allerdings nicht, denn Peter Maxwell Davies bleibt zu jedem Zeitpunkt dieses hochvirtuosen Werks modern und konsequent strukturorientiert. Hier hört man weder Programmmusik noch sieht man musikalische Ansichtskarten. Der Komponist versteht sich als Dramatiker und Erzähler mit rein musikalischen Mitteln, und die fünf Streicher tun gut daran, diesem Ansatz in ihrer Darstellung konsequent zu folgen.
Daniel Knödler