Kupkovic, Ladislav

String Quartets

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Diskant DK 0112-2131
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 73

Der slowakische Komponist Ladislav Kupkovic war einige Jahre Konzertmeister der Slowakischen Philharmonie, bevor er 1969 nach Berlin emigrierte und über Köln nach Hannover kam, wo er 1973 an der Hochschule für Musik und Theater eine neue Wirkungsstätte fand. Dass Kupkovic? Mitte der 1960er Jahre mal ein Neue-Musik-Ensemble namens Hudba dneska (Musik von heute) gründete und damit viele Konzerte im In- und Ausland gab, mag man angesichts dieser Klänge kaum noch für möglich halten, die mit „heute“ höchstens ihr Produktionsdatum gemein haben. Die im Booklet getroffene Feststellung, Kupkovic habe sich in den 1970er Jahren wieder verstärkt der tonalen Musik zugewandt, ist hinsichtlich seiner Streichquartette eine nette Untertreibung, denn wer hier postmoderne Doppelbödigkeiten erwartet, der irrt gewaltig, ja selbst von „Neo-Tonalität“ zu sprechen, würde die Angelegenheit künstlich interessanter erscheinen lassen als sie ist. Vielmehr präsentiert sich Kupkovic?s Musik als nostalgisches Kunsthandwerk eines Komponisten, der in einer komplett anderen Zeit zu leben scheint. Sie gibt sich dabei nicht die geringste Mühe, ihre historischen Stilmittel und Techniken in irgendeiner Weise zu verstecken, zu transformieren oder weiterzudenken.
Die zwölf aphoristischen Initials (1992) entpuppen sich als beschauliche Reise durch die (tonale) Musikgeschichte, ein bunter Blumenstrauß aus Rennaissance, Barock, Wiener Klassik und Romantik, wo sich Mozart, Beethoven und Brahms die Klinke in die Hand geben. Irgendwie witzig, dass diese putzige Suite Alfred Schlee gewidmet ist, dem verdienstvollen Leiter der Universal Edition und unermüdlichen Förderer der Gegenwartsmusik.
Als völlig aberwitziger Historismus erscheint jedoch Kupkovics fünfsätziges Streichquartett in B-Dur Nr. 7 von 2002 (!). Könnte man die Initials noch als „Gelegenheitswerk“ geradebiegen, fällt es schwer, die offensichtliche Ernsthaftigkeit dieses fünfsätzigen Stil-Pastiches zu begreifen. Es ist wirklich ein Rätsel, wieso ein talentierter Komponist so komponieren möchte wie im frühen 19. Jahrhundert, erst recht bei so viel unwiderstehlicher Konkurrenz an kammermusikalischer Originalmusik aus jener Zeit.
Kupkovics radikale Divertimentohaftigkeit schreibt sich ungebrochen fort im Quintett für Akkordeon und Streichquartett (2005). Der klangfarblichen Erweiterung der Besetzung vermag der Komponist erstaunlich wenig abzugewinnen, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass das Akkordeon schon längst zu einem der eloquentesten Ausdrucksmittel der Neuen Musik avanciert ist. Stattdessen steht tänzerische Volkstümelei auf dem Programm, die von einer selten gehörten Harmlosigkeit ist.
Dass das Moyzes Quartett hier mit sehr pastoser Pinselführung agiert, passt ganz hervorragend zu dieser Musik!
Dirk Wieschollek