Wolfgang Amadeus Mozart

String Quartets Vol. V

Armida Quartett

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 68

Führende Ensembles interpretieren Mozart heute, nach einer Phase strenger Historizität, wieder freier, offener, ja zeitgemäßer auf der Basis der musikwissenschaftlichen Erkenntnisse der zurückliegenden Jahrzehnte. Denn die reichhaltigen und vielschichtigen Forschungen zu Zeitgeschmack und Musizierstil der Mozart-Epoche lassen sich nicht einfach ignorieren. Auf der anderen Seite profitiert die musikalische Forschung inzwischen auch von Erkenntnissen aus Musikerkreisen, und so ist das Armida-Streichquartett etwa involviert in die Neuausgabe des Urtextes von Mozarts Quartetten im G. Henle Verlag, die die überlieferten Partituren in neuer, kritischer Weise interpretiert. Diese Arbeit an der Textquelle – die trotz autografer Überlieferung mehr Fragen aufwirft als klare Antworten an die Hand gibt – ist in der Gesamteinspielung der Mozart-Quartette, die das Ensemble um Primarius Martin Funda 2015 begann und nun mit Vol. V beschließt, deutlich zu spüren: Die Vorgänger-CDs wurden zu Recht gepriesen und stellen die Mozart-Interpretation ohne Zweifel auf eine neue Stufe.
Auch auf der letzten (Doppel-)CD dieses Projekts, bei dem man nicht chronologisch vorging, wechseln frühe, mittlere und spätere Werke des Salz-burgers einander ab. So treffen nicht nur zwei Mailänder (KV 156 und 158) auf drei Wiener Quartette (KV 170, 171 und 173) sowie auf zwei aus der Joseph Haydn gewidmeten Serie (KV 421 und 428), sondern auch die beiden Werke in d-Moll aufeinander, was sehr erhellende Wechselwirkungen zeitigt. Man staunt über die feine kontrapunktische Arbeit des jugendlichen Mozart, seine Ausdruckskraft und musikalische Fantasie, die ebenso opernhaft wirken wie kirchenmusikalisch inspiriert sein kann, ebenso tänzerisch daherkommt wie unerwartet tiefgründig in Moll-Regionen abtaucht.
Das Armida Quartett weiß all diese Facetten vollkommen auszuschöpfen, wobei die höfische Eleganz im Ton, die charmante Geste des „empfindsamen“ Zeitalters, die Mozart bei aller Erfindungskraft doch immer respektierte, bisweilen verloren geht. Der Armida-Klang ist größtenteils rau, gelegentlich kratzig und meist von der Ersten Violine bestimmt: Diese scheint dynamisch hervorgehoben, während Bratsche und Cello häufig nur „begleitend“ und erheblich leiser erscheinen. Polyfonie und Harmonik werden so kaschiert zugunsten eines primär melodiebetonten Satzes. Der galante Stil wird auch gern gegen eine sportive Grundhaltung getauscht, was die Frage offen lässt, wo Mozart wohl die (meist älteren und aus der höfischen Gesellschaft stam-menden) Partner gefunden hätte, die mit ihm in dieser Weise musizierten?
Nichtsdestoweniger sind diese Aufnahmen des Armida Quartetts maß-geblich für heutiges Quartettspiel. Ein Meilenstein.

Matthias Roth