Isasi, Andrés

String Quartets No. 0 und No. 2

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naxos 8.572463
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 73

> Der baskisch-spanische Komponist Andrés Isasi y Linares (1890-1940) zählt sicherlich zu den Außenseitern der jüngeren europäischen Musikgeschichte. Sein Großvater, ein Marquis, förderte den jungen Komponisten, nachdem dieser seine Eltern früh verloren hatte. Er schrieb erst einmal – noch als Teenager – Klaviermusik, dann studierte er offiziell in Berlin bei Karl Kämpf und Engelbert Humperdinck. Im Ersten Weltkrieg kehrte Isasi in seine Heimatstadt Bilbao zurück. Als er 1940 starb, war er von vielen Zeitgenossen bereits vergessen.
Nun hat sich ein Quartett gebildet, das seinen Namen als „Programm“ wählte und sogar gleich mit einer Uraufführung aufwarten kann, denn das 2. Streichquartett von Isasi, um 1920 komponiert, kam zu Lebzeiten des Iberers nicht auf die Notenpulte. Der Komponist besaß in Spanien (aber auch in Deutschland, trotz seines Studiums) kaum Kontakte, die sich ausbauen oder vermarkten ließen. Unter diesem Blickwinkel sind beide Kompositionen, die allerdings nicht durch Extravaganzen oder instrumentale Kabarettstückchen auffallen, wertvoll und abrundend. Man erlebt ja immer wieder „Löcher“ in den Rezeptionsgeschichten von Komponisten oder Werken – aus ganz verschiedenen Gründen. Bei Isasi dürfte dies an der eigenen Zurückhaltung und auferlegten Bescheidenheit gelegen haben.
Während das Streichquartett Nr. 0 e-Moll, entstanden um 1908, noch konkrete Bezüge zur kammermusikalischen Spätromantik eines Edvard Grieg oder Engelbert Humperdinck aufweist, geht Isasi in Nr. 2 a-Moll freier, ja sogar „sinfonischer“ mit melodischen Modulen, Harmonien, der Formensprache in den vier Sätzen und der Verarbeitung des eigenen Materials um. Aber auch hier dominiert der gedämpfte, melancholische, meditative, kaum temperamentvoll oder tänzerisch belebte Grundton. Auch spürt man keine direkten Anklänge von Folklore-Anleihen seines Heimatlandes. Aber eines hört man schnell heraus: Die tiefe, vielleicht sogar psychoanalytische Expressivität Isasis, der die oben erwähnte Zurückhaltung in gewisser Weise auch bei diesen Quartetten investiert, erfordert bei seinen Interpreten hohe Konzentration und technische Fertigkeit.
Aber das ist für Anna Bohigas und Sidonie Bougamont (Violine), Karsten Dobers (Viola) und Matthias Weinmann (Cello) kein Problem. Das Quartett verschafft dem Namensgeber einen ebenso verdienten wie kontemplativen Auftritt im Bereich der Ausgrabungsplattform, die bekanntlich alle Jahrhunderte und Epochen umfasst. Hier widmen sich die Streicher, die sich vor allem der (unbekannten) Romantik in Deutschland, Österreich und Russland verschrieben haben, mit Verve und viel feinnervigem Gefühl einem Raritätenrepertoire.
Bei Isasi ist noch einiges zu entdecken. Der Spanier schrieb nämlich auch Sinfonien, Orchestersuiten, ein Klavierkonzert, etliche Chor- und Vokalwerke. Er zog sich zu Lebzeiten lieber auf sein Refugium in Algorta zurück, als sich den Mühen und Risiken sowie den schnelllebigen musikalischen Moden des internationalen Musik- und Konzertbetriebs in den Metropolen auszuliefern.
Jörg Loskill