Donizetti, Gaetano

String Quartets

Nos. 1-6/7-12, Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Eulenburg, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 11/2012 , Seite 79

Vorrangig als Opernkomponist bekannt ist der Italiener Gaetano Donizetti (1797-1848). Doch verfasste er auch eine ganze Reihe Streichquartette. 18 Werke listet das Werkverzeichnis auf. Der Verlag Eulenburg publizierte sie bereits komplett als Studienpartitur. Jetzt liegen auch die Stimmsätze der ersten 12 Quartette vor, verteilt auf zwei Bände.
Offenbar waren die ersten Stücke Studienwerke des jungen Gaetano Donizetti, angeregt vom Lehrer Simon Mayr. Bereits sie sprühen vor melodischen Ideen. Auch das Spiel mit überraschenden Momenten beherrscht der Bühnendramatiker. Sätze wie das Presto-Menuett aus dem fünften Streichquartett e-Moll verraten zudem den rhythmischen Einfallsreichtum des jungen Komponisten, ebenso die agilen Finalsätze.
Die schönsten, reifsten Stücke finden sich vielleicht ab der Nr. 7 f-Moll. Gleich der elegische Kopfsatz kann restlos überzeugen. Auch ist die Aufteilung der Musik auf die verschiedenen Instrumente sehr  abwechslungsreich gestaltet. Dennoch: Meist führt in Donizettis Quartetten die erste Violine. Sie ist die Impulsgeberin, schwebt über der Begleitung wie eine Sängerin, etwa in den als einfühlsame Arien gestalteten langsamen Sätzen. Oft nutzt Donizetti darin als Tempo Largo oder Adagio. Doch bereits im frühen vierten Quartett taucht auch ein als “Canzone” bezeichneter Andante-Satz auf.
Höhepunkt der mittleren Quartette ist sicher die Nr. 9 d-Moll. Eingängige Melodien treffen auf wirbelnde Spielfiguren, die Kontraste sind geschärft und entfalten eine enorme Dramatik. Diesen lebendigen Stil kultiviert Donizetti überlegen und mit souveräner Kompositionstechnik. Zudem kennt er die Wirkung und auch die technischen Möglichkeiten der Streichinstrumente genau. Das beweisen auch erhältliche Aufnahmen: Es macht einfach Freude, diese Musik zu spielen. Da fällt es auch nicht ins Gewicht, dass Donizetti die Entwicklungsgeschichte des Streichquartetts nur marginal beeinflusste. Detailverliebte motiv-thematische Arbeit im Sinn der Wiener Klassiker ist allenfalls im Ansatz vorhanden. Allerdings arbeitet der Italiener gerne mit markanten Motiven, die im Verlauf eines Stücks wiederkehren und für Einheit sorgen.
Dass viele der Werke parallel zu Beethovens und Schuberts formal wegweisenden späten Quartetten geschrieben wurden, ändert ebenfalls nichts an ihrer musikantischen Qualität. Der Italiener hatte bei der Komposition weder das große Konzertpodium noch ein elitäres Publikum noch ein professionelles Ensemble wie das Schuppanzigh-Quartett im Hinterkopf. Die Quartette entstanden für seinen Freundeskreis. Im privaten Umfeld wurden sie also gespielt. Dafür sind sie fast schon zu schade. Im modernen Konzertsaal sollten sie ihren Platz haben. Vielleicht beginnen Musiker ihren Quartettabend einmal nicht mit dem üblichen Haydn, sondern mit einem spritzigen Donizetti. Die nun vorliegenden Stimmsätze bieten dafür eine vorbildliche, weil kritisch edierte Textgrundlage.
Matthias Corvin