Beethoven, Ludwig van / Johannes Brahms
String Quartet op. 18,5 A major / String Quartet op. 51,2 A minor
Dass bis heute währen kann, was im 19. Jahrhundert Usus war! Ein Streichquartett, das sich allein aus Mitgliedern ein und desselben Orchesters zusammensetzt! Beim Gürzenich Quartett ist das so, und dies seit 1888. Dass aber ein solches Quartett auch zugleich mit so hoher Professionalität agiert und eine so feinsinnige gestalterische Vielfalt und einen solchen klanglichen Schliff an den Tag legt, wie es Torsten Janicke und Rose Kaufmann an den Violinen, Mechthild Sommer an der Bratsche und Joachim Griesheimer am Violoncello in ihrer jüngsten Einspielung von Beethovens A-Dur-Quartett op. 18 Nr. 5, gekoppelt mit Brahms a-Moll-Quartett op. 51 Nr. 2 unter Beweis stellen, ist erst recht ungewöhnlich.
Leicht und filigran, ohne es an der nötigen Vitalität fehlen zu lassen, gehen sie an den Einleitungssatz von Beethovens A-Dur-Quartett heran, sie schaffen ein lebendiges Gefüge voller Vielfalt und Gespanntheit, sie spielen mit diffizilster Färbung der Tongebung und sie arbeiten ein motivisches Profil voller rhetorischer Gestik und Erzählkunst heraus. Mit ihrer fein ausgeloteten, auch intonationsmäßig stets genau fokussierten stimmlichen Balance, ja, ihrer schlechthin edlen Tonschönheit gewährleisten sie eine plastische Transparenz der Textur. Der Hörer erfreut sich an der Subtilität der Schwerpunkt- und Akzentsetzung im Trio des diffizil durchgearbeiteten Menuetto, er bewundert die Weichheit, mit der das Gürzenich Quartett das Thema des Andante cantabile modelliert und er ist hingerissen von der gestalterischen Vielseitigkeit in den nachfolgenden Variationen dieses Satzes. Aufgelockert und leuchtkräftig weiß das Gürzenich Quartett den Finalsatz anzupacken, kontrastfreudig in der musikalischen Charakterisierung, deutlich in der Linienführung und selbst im dichten Gewebe noch durchsichtig gehalten.
In der Wiedergabe von Brahms’ a-Moll-Quartett fasziniert in dessen Kopfsatz das Spiel der Interpreten mit den unterschiedlichsten Ausprägungen der Leidenschaftlichkeit. Da wird das hier sonst so oft mit Pathos aufgeladene Temperament gedrosselt zugunsten eines feinsinnigen Entwicklungsbogens, sensibler Lebhaftigkeit und dynamischer Gespanntheit. Die Künstler wissen hier, wenn sie einen Moment lang die in den Fokus genommenen Stimmen aufleuchten lassen, ein äußerst fein gewobenes Spiel gleich einem lebendigen Organismus zu präsentieren, alles hoch überlegt durchgestaltet und von tiefer analytischer Durchdringung und Durchhörbarkeit geprägt. Im mit großer Wärme und doch vollkommen transparent gehaltenen Andante moderato gefällt der stets glaubwürdig gelungene und genau das richtige Maß haltende Übergang in dessen dramatische Momente, im dritten Satz vermag sich das Ensemble wohltuend von jeder Überzeichnung freizuhalten, um doch nie etwas von der nötigen Prägnanz der Ausdrucksgebung preiszugeben. Hervorragend weiß das Gürzenich Quartett dabei die Logik der inneren Rhythmik der Architektur des Satzes ins rechte Spannungsverhältnis zu bringen. Überzeugungskräftig ist auch die Darstellung des Finalsatzes gelungen: Mit viel Feingefühl, schlüssig und ausgewogen wird hier der entwicklungsreich angelegten Satzstruktur nachgespürt.
Thomas Bopp