Julian Anderson
String Quartet No. 3, hana no hanataba
Partitur und Stimmen
Julian Anderson (geb. 1967 in London) beginnt sich mit seinem umfangreichen, alle Genres umfassenden Œuvre nun auch in Deutschland durchzusetzen; in England zählt er längst schon zu den bekannten Komponisten seiner Generation. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet; Kompositionsaufträge erhielt er u. a. vom London Symphony, Boston Symphony, New York Philharmonic oder Cleveland Symphony Orchestra, Caroline Widmann etwa spielte die Uraufführung seines Violinkonzerts, Alban Gerhardt diejenige seines Cellokonzerts; 2023 erhielt er den mit 100000 Dollar dotierten Grawemeyer Musik-Preis. Er unterrichtete am Royal College of Music (1996-2004) und an der Harvard University (2004-2007); gegenwärtig lehrt er an der Guildhall School of Music & Drama in London.
Anderson selbst studierte oder absolvierte Kurse bei einigen der namhaftesten Kompositionslehrer wie Oliver Knussen, George Benjamin, Tristan Murail, Alexander Goehr, Olivier Messiaen oder György Ligeti. Und die stilistische Vielfalt der Musik dieser Komponisten spiegelt sich in Andersons Streichquartett Nr. 3 (2017/18, uraufgeführt 2018) unverkennbar wider: vor allem auch in der Meisterschaft, mit der er unterschiedlichste Kompositionstechniken fantasievoll beherrscht und sie sinnvoll und sehr persönlich synthetisiert. Das schließt etwa hörbar zu machende Atemgeräusche oder durch Bogendruck zu erzeugende knirschende Geräusche auf den Streichinstrumenten ebenso ein wie Mikrointervalle, Allusionen an Volksmusik, Triller in offengelassenen Intervallen oder Glissandi in höchsten Tonlagen. Aber mit solchen klanglichen Materialien oder Spielvorschriften gibt er den sechs konzisen Sätzen des etwa 23 Minuten dauernden Quartetts prägnante Ausdruckscharaktere, die er durch subtile Bezüge – etwa auch durch die Ordnung und Auswahl der Töne nach Modi oder Grundtönen – aufeinander abstimmt. Ungemein komplex gestaltet sich rhythmisch, artikulatorisch und dynamisch das Zusammenspiel. Auch die prägnante Darstellung des vertrackten Tonsatzes erfordert aufopfernde Probenarbeit, die durch Hinweise im Vorwort des Komponisten und durch erläuternde Angaben im Notentext erleichtert wird. Der Untertitel „hana no hanataba“, erläutert dort der Komponist, stammt aus dem Japanischen und bedeutet „Blumenstrauß“, doch habe das Werk, so Anderson, keinerlei programmatische Bedeutung.
Schott hat die redaktionell optimal eingerichtete Partitur, die zur Einstudierung des Werks unverzichtbar ist, sowie die Stimmen schlechterdings bestechend übersichtlich, sauber und optimal lesbar herausgebracht: eine drucktechnische Meisterleistung. Nützlich wäre es sicherlich gewesen, die englischsprachigen Texte (Vorwort, Spielanweisungen) auch in deutschen Übersetzungen abzudrucken.
Giselher Schubert