Cowie, Edward

String Quartet No. 3

„In Flight Music“, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, London 2013
erschienen in: das Orchester 05/2014 , Seite 72

Viele Komponisten haben eigene Werke, die ihnen besonders wichtig erscheinen mochten, überarbeitet, manche hat dieser Überarbeitungsprozess sogar viele Jahre beschäftigt. Auch dem Briten Edward Cowie scheint sein drittes Streichquartett nach weit mehr als 20 Jahren noch genug Inspiration und Anlass geboten zu haben, es – wie er im Vorwort dieser Neuerscheinung schreibt – einer grundlegenden Veränderung zu unterziehen. Dabei ist offenbar sogar ein gänzlich neues Werk herausgekommen, das Cowie mit dem zunächst vielleicht etwas irreführenden Titel In Flight Music überschreibt.
Wer bei In Flight Music an seichte Berieselung oder dezent Unterhaltendes für den Hintergrund denkt, liegt indes völlig falsch. In den vier Sätzen dieses rund 15 Minuten dauernden Streichquartetts geht es zwar tatsächlich ums Fliegen: In den ersten beiden Sätzen steht dabei der mit Paraglider bzw. im Flugzeug fliegende Mensch im Mittelpunkt, im dritten Motten und im vierten Vögel. Simple Programmmusik liefern die vier Streicherstimmen dabei indes nicht, vielmehr schafft es Edward Cowie allein durch klassische musikalische Mittel und in einer der akademischsten Gattungen der Kammermusik, das Fliegen in all seinen hier dargestellten Facetten akustisch präzise abzubilden.
Die Bewegung, und vor allem die sehr schnelle Bewegung, die dabei die wesentliche Rolle spielt, wird über flirrende Streicherfigurationen, federnd gesetzte Akzente und ein naht- oder gar rastloses Ineinandergreifen der Stimmen widergespiegelt. Und ab und zu tauchen wie zur Kalibrierung des Geschwindigkeitsempfindens kantilenenartige Melodiebruchstücke vor einem sehr bewegten Klanghintergrund auf. Dabei sind die vier technisch durchaus geforderten Streicher gehalten, meist sehr leise, leicht und dennoch extrem präzise zu spielen. Cowies musikalische Sprache ist hierbei so vielfältig und abwechslungsreich, dass jeder Satz seines Werks weit über ein banales Tongemälde hinausgeht. Ohne zu wissen, dass ihm im zweiten Satz dieses Quartetts die Kondensstreifen von Flugzeugen als außermusikalische Inspirationsquelle dienten, käme man nicht auf den Gedanken, etwas anderes als absolute Musik vor sich zu haben.
Da Edward Cowie außer als Schriftsteller und Komponist auch als Maler erfolgreich ist, existieren zu vielen seiner Werke korrespondierende Bilder. Leider sind die zu den vier Sätzen seines dritten Streichquartetts entstandenen Gemälde, die der Komponist auch für eine Projektion bei der Aufführung des Quartetts vorsieht, der ansonsten ausgezeichnet aufgemachten Notenausgabe nicht beigefügt – ein Umstand, der bei einem Blick in die schon optisch „sprechende“ Partitur dieser In Flight Music allerdings schnell in Vergessenheit gerät.
Daniel Knödler