Josef Suk

String Quartet No. 2 Antonín Dvořák / String Quartet No. 13

Philharmonic String Quartet Berlin

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Decurio
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 72

Eine seltene Verbindung: Kammermusik von Schwiegervater und Schwiegersohn vereint auf einer CD. Antonín Dvořáks überirdisch schönes G-Dur-Quartett op. 106 und Josef Suks 2. Streichquartett op. 31, aufgenommen vom „Philharmonic String Quartet Berlin“ im ersten Drittel des Jahres 2021 im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Wer sich aber hinter diesem Ensemble verbirgt, ist auf den ersten flüchtigen Blick kaum zu erhaschen. Erst auf der letzten Seite entdeckt man die kleingeschriebenen Namen von Helena Madoka Berg und Dorian Xhoxhi (Violinen), Kyougmin Park (Viola) und Christoph Heesch (Violoncello).
Irgendwie zerrissen und unruhig beginnt das 1910 begonnene Streichquartett von Suk. Fünf Teile schweißte er in einem fast halbstündigen Satz zusammen – mit wenigen romantischen Elementen, aber mit vielen Anteilen des musikalischen „Fin de siècle“. Hier strahlt kein eleganter französischer Impressionismus. Die Stilistik seines Schwiegervaters Dvořák, die er in seiner Serenade op. 6 an den Tag legte, ist längst überwunden. Der Blick richtet sich eher in die österreichisch gefärbte Werkstatt eines Gustav Mahler, Alexander Zemlinsky, berührt die Modernität Arnold Schönbergs gar, dessen erstes Streichquartett op. 7 aus dem Jahre 1905 ebenfalls sehr anstrengend zu hörende Teile in einem Satz vereinte. Suk soll ja auch nicht ohne Stolz gewesen sein, als es bei den Zuhörer:innen während der Berliner ­Uraufführung 1912 zu Tumulten gekommen war.
Das Ensemble interpretiert dieses expressive Quartett mutig in seiner kompromisslosen Wahrhaftigkeit, mit all seinen Ecken und konfliktreichen Kanten, und findet sich bestens in dieses Werk ein. Technisch makellos und sehr gut aufeinander eingespielt wahrt es jedoch gleichzeitig auf merkwürdige Weise eine apollinische Distanz, so, als ob die vier Künstler:innen das Werk in Marmor meißeln würden, sich ihm aber emotional weder nähern noch es durchdringen wollten. Diese Art Sachlichkeit, dieses Werk genau so erstehen zu lassen, findet hier wohl eine plausible Sinnhaftigkeit, jedoch wird solch eine distanzierte Interpretation bei Dvořáks Streichquartett zum Problem.
Gleich zu Beginn vermisst der Hörer die herzliche Innigkeit, die pulsierende Lebendigkeit und den typischen Farbenreichtum der ­späteren Werke, insbesondere die sehnsüchtige und melodiereiche Tonsprache, verbunden mit der böhmischen, lebensbejahenden Spielfreude und melancholischen Wehmut. Mit solch beseeltem Herzblut spielt beispielsweise das bis heute unerreichte Prager Streichquartett. In der vorliegenden Aufnahme jedoch scheint die Kühle kaum aushaltbar. Ebenso fehlt die innere Homogenität und ausgewogene Klangbalance, wie bei Ensembles, die noch nicht zusammengewachsen sind. Das Stück kommt zwar technisch nahezu perfekt daher, doch ist es zu wenig inspiriert. Insbesondere der langsame, unerklärlich herrliche Satz erklingt ohne erwärmende Leidenschaft, die schnellen Sätze sind zwar vital, ­ergreifen aber zu wenig.
Werner Bodendorff