Arnold Krug
Streichsextett op. 68/Klavierquartett op. 16
Linos Ensemble
„Feinsinniger Hamburger Tonsetzer“, heißt es über Arnold Krug in einem populären Kammermusikführer aus dem Ende der Weimarer Zeit. Wilhelm Altmann hatte diese lobenden Worte für den heute völlig unbekannten Brahms-Zeitgenossen übrig, dessen Werk wiederzuerwecken sich eine empfehlenswerte CD mit dem Linos Ensemble auf die Fahnen schreibt.
Die Musiker, die unter diesem Namen in wechselnden Besetzungen jetzt schon seit 40 Jahren für exzellente Interpretationen außergewöhnlicher Programme stehen, spielen von Bach bis Stockhausen so ziemlich alles, was ihnen interessant erscheint. Vom Trio bis zur Kammermusik. Oboist Klaus Becker hat das nach dem griechischen Gott des Rhythmus und der Melodie benannte Ensemble 1977 gegründet, in dieser langen Zeit etwa in Köln viel neue Musik (ur-)aufgeführt, aber auch mit Kabarettist Hanns Dieter Hüsch gearbeitet oder mit Salome Kammer den Pierrot Lunaire verwirklicht. Zuletzt, 2017, kam mal wieder ein Echo Klassik über die Musiker, für Franz Schmidts Kammermusik. Über 40 CDs belegen Können und Originalität des Linos Ensembles.
Mit Arnold Krug gelingt eine weitere Entdeckung. Sein Streichsextett op. 68 blüht in einem Ton, der an Brahms geschult ist, aber originelle Fantasie und ein großes Gespür für feine, melancholische Stimmungen an den Tag legt, demnach mit Gewinn zu spielen ist. In der Besetzung mit zwei Geigen, zwei Bratschen, Cello und Kontrabass nimmt das dreisätzige Sextett fast symphonische Züge an. Gerade das Adagio mit seinen ausgedehnten Kantilenen offenbart den am Gesang geschulten Komponisten.
Krug, 1849 in Hamburg geboren und ebendort 1904 gestorben, drängte es nicht wie seine Landsleute Mendelssohn und Brahms in die weite Welt hinaus. Er kam nach Studien in Leipzig und Lehrjahren in Berlin in die Elbmetropole zurück, gründete einen Gesangverein, die Arnold Krug’sche Singakademie, arbeitete als Kompositionslehrer am Stern’schen Konservatorium und als Dirigent. Chorwerke und Klavierminiaturen sind von ihm überliefert, jetzt findet seine rare Kammermusik neu Beachtung.
Neben dem Sextett, das den Beinahmen „Preis-Sextett“ trägt, weil Krug damit 1896 einen Kompositionswettbewerb in Dresden gewann, hat das Linos Ensemble das Klavierquartett von 1879 in diese gute Stunde purer Spätromantik aufgenommen. Es ist reich an stimmungsvollen Szenen in immer neuen Farben und Harmonien. Nach einem Rom-Aufenthalt entstanden, spielt das Werk in seinem Finalsatz auf das karnevalistische Treiben der italienischen Hauptstadt an, wendet sich dabei von der Haupttonart c‑Moll ins funkelnde C‑Dur. Im turbulenten Scherzo geht es regelrecht gespenstisch zu. Alles in allem ein Werk, das sich nicht nur spannend anhört, sondern auch spannend zu musizieren sein dürfte. Die Koproduktion des Osnabrücker Labels cpo mit dem Deutschlandfunk stammt aus dem Jahr 2014, hört sich aber noch taufrisch an.
Armin Kaumanns