Johannes Brahms

Streichsextett Nr. 1

B-Dur op. 18, hg. von Katrin Eich, Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle
erschienen in: das Orchester 01/2019 , Seite 66

In den Hamburger Nachrichten vom 23. Februar 1861 wurde es „als eines der schönsten Stücke des jungen Componisten“ besprochen. Die Rede ist von dem Streichsextett op. 18 des damals noch nicht dreißigjährigen Johannes Brahms – seinem ersten Streichsextett und dem zweiten Kammermusikwerk überhaupt. Es wurde am 20. Oktober 1860 in Hannover uraufgeführt. Bereits knapp ein Jahr zuvor verständigte Brahms seine Freundin Clara Schumann und sandte ihr das Werk. Der Freundeskreis reagierte während des Kompositionsprozesses auf einzelne Sätze überaus freudig. So erklärte Julius Otto Grimm enthusiastisch, als er nach den beiden ersten Sätzen noch das Scherzo erhielt, das frische Scherzo sei „unaufhaltsam in mich hineingesprungen“. Ebenso reagierte sein Geigerfreund Joseph Joachim sehr positiv, der in Aussicht stellte, das Sextett bald aufführen zu wollen, zumal die erste Durchspielprobe am 14. Oktober sehr günstig verlaufen sei. Brahms arrangierte es später für zwei Klaviere und spielte es während eines Besuchs mit Clara Schumann.
Dies und viele weitere Informationen stehen im Vorwort der neuen praktischen Ausgabe des viersätzigen Werks, dessen Edition auf der Neuen Ausgabe sämtlicher Werke (Serie II, Bd. 1: Streichsextette, Mün­chen 2017) von Brahms basiert, beides herausgegeben von Katrin Eich. Sie verfasste das dreisprachige Vorwort und wies darauf hin, dass sich über den Notentext hinaus „detaillierte Auskünfte zur Textgestaltung und Quellenlage sowie zur Entstehung, frühen Aufführungsgeschichte, frühen Rezeption und Publikationen“ in der Einleitung und im Kritischen Bericht der Gesamtausgabe fänden.
Eich hätte sich diesen Zusatz sparen können, da sie den Praktiker nicht „im Regen stehen“ lässt. Im Vorwort der Notenausgabe der Ersten Violine erläutert sie viele Einzel­heiten bis hin zur Entstehung und Rezeptionsgeschichte und belegt sie mit Zitaten aus Briefwechseln. Zudem sind nach dem Notentext in eben diesem Stimmenmaterial des Primgeigers auch die Quellenangabe des Autografs – es befindet sich in der Library of Congress in Washington –, der Abschriften, der Erstausgabe der Partitur und der Stimmen sowie die Einzelanmerkungen zweisprachig abgedruckt. Somit wird deutlich, welche Quelle für die vorliegende Edition genommen wurde, und zwar der Erstdruck der Partitur in „Gestalt von Brahms’ Handexemplar“. Alle weiteren herangezogenen Quellen hätten den Status von Referenzquellen, was die Herausgeberin vor viele Entscheidungen stellte. Deswegen beschränken sich die Einzelanmerkungen lediglich auf die gravierenden Textprobleme.
Der umfassende, detaillierte, beinahe 30 Seiten lange Rest des Kritischen Berichts fehlt indes und ist für den Theoretiker und für den spezifisch Interessierten nun wirklich ausschließlich der Gesamtausgabe vorbehalten. Andere spieltechnisch wichtige Anmerkungen sind direkt im Notentext der jeweiligen Stimme mit Verweis auf die Bemerkungen notiert.
Werner Bodendorff