Streichquintett

Rubrik: Noten
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Von dem Bewusstsein der musikalischen Welt fast gänzlich ausgeschlossen ist sowohl das breite instrumentale bzw. das kammermusikalische Schaffen Ignaz Pleyels sowie seine beiden Opern als auch weitgehend dessen Biografie. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich kaum jemand für seinen 250. Geburtstag interessiert, welcher sich am 18. Juni jährte, noch von der Tatsache weiß, dass er vor genau 200 Jahren in Paris eine gutgehende Klavier- und Cembalofirma gründete. So soll Clara Schumann einst seine Klaviere wegen ihres zarten Klangs geschätzt haben.
Nur wenig – wie beispielsweise einige Trios, Quartette oder Sextette – ist von seinen Kammermusiken eingespielt. Noch immer harren gut die Hälfte seiner über 60 Sinfonien ihrer Veröffentlichung. Ebenso lagern einige seiner etwa ebenso vielen Streichquartette noch ungespielt in Bibliotheken und Archiven. Nicht so das nur dreisätzig gebliebene – es fehlt ihm ein Menuett – Streichquintett in g-Moll aus dem Jahr 1785, das in der Besetzung Mozarts Vorliebe für zwei Bratschen folgt.
Rechtzeitig zum Jubiläum erschien nun in neuem Gewand und herausgegeben von dem Musikwissenschaftler Tilmann Sieber, spezialisiert auf das „klassische Streichquintett“, eine auf den letzten Stand gebrachte Neuausgabe. Diese basiert hauptsächlich auf der 1786 beim Wiener Verlag Anton Hoffmeister erschienenen Erstausgabe und folgt den heutigen hohen Ansprüchen einer kritischen Publikation. Dass es ausgerechnet das g-Moll-Werk ist, resultiert vermutlich aus der Tonart selbst, bei der die Komponisten im 18. Jahrhundert beinahe eine Art Wettbewerb veranstalteten. Und so sind ausgerechnet Sinfonien und Streichquartette mit dieser für manch damaligen Theoretiker „schmerzensreichen“ Tonart auch von unbekannteren Komponisten bis in die heutige Zeit überliefert.
Noch vorsichtig nach dem Vorbild Joseph Haydns sind musikalische Faktur und durchbrochene Arbeit fast nur im Kopfsatz, mit Moderato übertitelt, vorhanden. Im langsamen zweiten Satz dachte Pleyel eher orchestral, fast noch spätbarock verspielt mit einer thematisch und kompositorisch noch wenig durchgearbeiteten Satztechnik, welche gerade erst seit den Haydn’schen Quartetten op. 33 eine subtilere Behandlungsweise erfahren hatte und bei Pleyel bis dahin zu wenig Niederschlag fand. Trotzdem ist dem Werk eine gewisse klangvolle Geschmeidigkeit nicht abzusprechen. Im letzten Satz, einem Presto im Sechs-Achtel-Takt, folgt Pleyel wieder mehr seinem großen Vorbild, womit er sich auch gleichzeitig vom französisch geprägten „Quatour brillant“, einem solistisch und virtuos auf die Primgeige zugeschnittenen Quartettstil, abkehrt.
Der hochwertige Druck ist mit einem zweisprachigen, überblicksartigen Vorwort mit Quellenverzeichnis, aber ohne Kritischen Bericht versehen. Wer mehr über quellenkundliche und gattungsgeschichtliche Studien wissen will, wird auf andere Schriften verwiesen.
Werner Bodendorff