Cambini, Giuseppe Maria

Streichquintett

für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli Nr. 84 D-Dur, hg. von Tilman Sieber, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2013
erschienen in: das Orchester 03/2014 , Seite 73

In der Geschichte des Streichquintetts nimmt das Schaffen von Giuseppe Maria Cambini einen besonderen Platz ein, hat er doch wie seine in Spanien tätigen Zeitgenossen Luigi Boccherini und Gaetano Brunetti das mit zwei Celli besetzte Streicherensemble mit einer Fülle von Werken bedacht. Während Boccherini und Brunetti ihren Stil jedoch in relativer geografischer Abgeschiedenheit entwickeln und in ihren Kompositionen zu einer konzertanten Faktur neigen – geprägt durch Reihung unterschiedlich instrumentierter Abschnitte, in denen melodisch gestaltete Soli oder virtuoses Figurenwerk über einfachen Begleitstrukturen vorherrschen –, vollzieht sich die Entwicklung von Cambinis reifem Stil im Einflussbereich des süddeutschen und österreichischen Streichquartetts. Dies führt zu einer verstärkten Ausprägung thematischer Arbeit bei gleichzeitiger Verflechtung der Einzelstimmen zu einem Satz, der weniger auf dem Alternieren brillanter solistischer Abschnitte denn auf kantablen Momenten unter Einbeziehung sorgfältig ausgearbeiteter, in das melodische Geschehen involvierter Nebenstimmen beruht.
Dementsprechend zeichnet sich die hier editierte Komposition durch einen einfallsreichen Umgang mit den Problemen des fünfstimmigen Streichersatzes aus: Im Kopfsatz (Larghetto affettuoso) treten – begünstigt durch die kleinteilige Motivik – die Celli zumeist mit anderen Stimmen in Wechselwirkung oder werden im Terz- oder Sextabstand parallel geführt, sodass sie nur in einigen kadenzierenden Passagen ins Unisono verfallen. Noch ausgefeilter ist der Mittelsatz (Allegretto moderato e con grazia), in dessen Exposition Ansätze zur Imitation mit parallel geführten, wechselnden Begleitstimmen verknüpft sind. Kontrastierend hierzu setzt Cambini in der Durchführung das Miteinander der Celli in Unisono oder Oktave mit harmonischer Kopplung an den Violapart ein und verlagert das musikalische Geschehen weitgehend in die Oberstimmen – ein Prinzip, das er in der Reprise wieder zugunsten des komplexeren Satzprinzips verändert. Gegenüber dem hohen Niveau dieses Satzes fällt das finale Presto etwas ab: Zwar überascht der Einfall, das Thema unter Verzicht auf die Oberstimmen den beiden Celli anzuvertrauen und von Tonrepetitionen der Viola begleiten zu lassen, doch bringt im weiteren Verlauf die häufige Verdopplung der Celli Probleme für die instrumentale Balance mit sich.
Inwieweit der Herausgeber bei seiner Edition in die autografen Stimmen eingegriffen hat, geht aus seinem kurzen Vorwort nicht hervor und lässt sich lediglich anhand der in Klammern eingefügten Ergänzungen zu Artikulation und Dynamik einschätzen, während der Benutzer für weitere Details auf eine gesonderte Publikation verwiesen wird. Auch Hinweise auf den Entstehungshintergrund des Werks fehlen völlig, sodass der Text über allgemeine Informationen zu Cambini und dessen Stilistik nur wenig brauchbare Informationen enthält.
Stefan Drees