Streichquintett

Rubrik: Noten
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Franz Krommer zählt zu jenen Komponisten des süddeutsch-österreichischen Raums, die an der Wende zum 19. Jahrhundert mit einer ganzen Reihe bedeutender Beiträge zum Streichquintett hervortraten. Er hinterließ 24 entsprechende Werke, deren Entstehung sich – beginnend mit der spätestens 1797 komponierten Gruppe op. 8 bis zu den letzten, nach 1816 entstandenen Quintetten op. 107 – über einen Zeitraum von gut zwei Jahrzehnten erstreckt. Hatten sich zuvor bei Ignaz Pleyel, Franz Anton Hoffmeister und Wolfgang Amadeus Mozart in deutlichem Abstand zum Divertimentocharakter früherer Werke seit Mitte der 1780er Jahre unter Verwendung der Besetzung mit zwei Violen ein Wandel hin zur Verwendung thematisch-motivischer Arbeit bei gleichzeitiger Tendenz zu prinzipieller Gleichwertigkeit aller fünf Stimmen durchgesetzt, beginnt sich in Krommers Kompositionen der Weg hin zum konzertanten Quintett mit seiner einseitigen Bevorzugung eines virtuoseren Parts der ersten Violine abzuzeichnen.
Spuren dieser Entwicklung lassen sich bereits im vorliegenden F-Dur-Quintett entdecken, in dem immer wieder einzelne Abschnitte von der ersten Violine dominiert werden, was zugleich mit der Reduktion aller
übrigen Streicherstimmen auf einen oftmals sehr simpel strukturierten Begleitsatz einhergeht. Dass beispielsweise große Teile des an dritter Stelle stehenden „Andante Allegretto“-Variationssatzes auf diese Weise komponiert sind und auch im Menuetto das zentrale melodische Geschehen ausschließlich in der Oberstimme liegt, dürfte den Vortrag aus Sicht einiger Ensemblemitglieder zu einer Geduldsprobe werden lassen.
Immerhin stehen solchen Abschnitten einige aufregendere Passagen gegenüber: Zu ihnen gehört vor allem der satztechnisch stärker auf Gleichberechtigung der Stimmen zielende Beginn des Kopfsatzes, dessen vierstimmige Faktur zweimal hintereinander mit einer Verschiebung innerhalb der Register erklingt, was dann zu Beginn der Durchführung in der Arbeit mit klanglich unterschiedlich gewichteten dreistimmigen Teil-
ensembles aufgegriffen und weiter differenziert wird. Auffällig ist schließlich auch – allerdings wiederum vollständig der führenden ersten Violine untergeordnet – die harmonisch spannungsreiche  „Adagio“-Einleitung zum „Allegro moderato“-Finale, weil sie bereits auf die erweiterten Satzanlagen von Krommers späteren Quintetten verweist.
Das großzügig gesetzte Stimmenmaterial von Tilman Siebers Edition, basierend auf einer 1798 bei G. Gombart in Augsburg erschienenen Stimmenausgabe, ist – das belegen sowohl Blätterstellen wie frei bleibende Seiten – auf die musikalische Praxis ausgerichtet. Zusätze des Herausgebers, in Partitur und Stimmen durch gestrichelte Bogensetzungen und dynamische Angaben in eckigen Klammern kenntlich gemacht, zielen dabei auf eine aus dem musikalischen Satz heraus verstehbare Vereinheitlichung sämtlicher Stimmen.
Stefan Drees