Radu Paladi & Zdenek Fibich

Streichquartette

Martfeld Quartett: Liviu Neagu-Gruber & Axel Hess (Violine), Antje Kaufmann (Viola), Katharina Apel (Violoncello)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 91607
erschienen in: das Orchester 12/2016 , Seite 72

Eine wunderbare Entdeckung! Die herrliche Musik, die intensive Interpretation, der perfekte Klang und vor allem der Reiz des Unbekannten verleihen dieser SACD ihren besonderen Zauber. Mit dem Poem, einer von 376 autobiografischen Klavierminiaturen, deren schöne Melodie im Orchesteridyll Am Abend wiederkehrt, ist Zdenek Fibich berühmt geworden. Kein Kaffeehaus, keine Salonmusik, wo es nicht zu hören war. Mit seinen Sinfonien und Orchesterwerken, den Opern, szenischen Melodramen und der Kammermusik aber, die er – ne­ben Smetana und Dvorák – als dritte Größe der tschechischen Nationalmusik in seinem kurzen Leben geschaffen hat, erlangte er nur allmäh­lich Resonanz und Anerkennung.
In Leipzig ausgebildet und vom Geist Bachs infiltriert, dazu noch ein Anhänger Wagners (Die Braut von Messina), galt er zuhause als Fremder, als zu wenig national gesinnt. Geboren wurde Zdenek Fibich 1850 im ostböhmischen Všeborice. Seine Studien absolvierte er in Wien, Prag (bei Smetana), Leipzig, Paris und Mannheim; seine Wirkungsstätten waren Vilnius und Prag (Kapellmeister, Chordirigent, Dramaturg), wo er sich vor allem dem Komponieren widmete (etwa 600 Werke) und 1900 starb.
In seinem 2. Streichquartett G-Dur op. 8 (1878), einem leicht verspielten, anmutigen Stück, gelang Fibich die subtile Synthese böh­mischer und „deutscher“ Elemente. Der 1. Satz, deutlich in Sonatenform konzipiert und an Mendelssohn und Schumann erinnernd, verbleibt trotz aller Kontraste und Schattierungen in lyrischen Bereichen, und das drei­teilige Adagio wird von innigem Volksliedton und freien Variationen getragen. Das furiose Scherzothema, die Polka des Trios und das Rondo-Finale mit Dudelsackklängen und Volkstanzrhythmen bringen hingegen das nationale Element hinreißend zur Geltung.
Gänzlich im neoklassizistischen Folklorestil der Zeit ist das 1. Streichquartett c-Moll (1956) von Radu Paladi gehalten. Der rumänische Komponist wurde 1922 in Storojinet (Bukowina) geboren und starb 2013 in Bukarest. Studiert hat er Klavier und Komposition in Czernowitz und Bukarest, war dann als Dozent, Pianist, Chefdirigent und im Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler tätig. Sein umfangreich-vielfältiges, ausdrucksstarkes und nonkonformistisches Schaffen, für das Paladi mehrmals Preise erhielt, hat Meilensteine in der rumänischen Musik gesetzt.
Dafür liefert auch das 1. Streichquartett mit seinen klaren Formen – Sonatensatz, polyfones Lied, Rondo-Finale –, seinem elegischen Melos und den asymmetrischen Tanzrhythmen ein frühes Beispiel, wobei der „atonale“ Choral im Allegro und die Ostinato-Struktur des Vivace die Symbiose von West und Ost, von Tradition und Moderne besonders deutlich machen.
Das Martfeld-Quartett, Mitglieder des Sinfonieorchesters Wuppertal und des Kölner Gürzenich-Orchesters, spielt in Bestform: Leichthändig und hoch inspiriert entfaltet es ein emotional reiches Klangspektrum und verleiht so den beiden Repertoire-Raritäten einen schönen Eindruck.
Eberhard Kneipel

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