Pavel Haas

Streichquartett Nr. 2

„Von den Affenbergen“ op. 7, Urtext, hg. von Ondrˇej Pivoda, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 10/2020 , Seite 67

Mit seinem 1925 entstandenen Streichquartett Nr. 2 op. 7 gelang es dem Komponisten Pavel Haas (1899-1944), einen ganz individu- ellen Weg innerhalb der tschechi schen Moderne einzuschlagen. Zwar referiert der Komponist mit den im Untertitel genannten „Affenbergen“ auf eine Region in der Böhmisch-Mährischen Höhe nordwestlich von Brünn und verweist damit auf die Umstände der Werkentstehung, insbesondere „auf das Einfangen einiger starker Eindrücke, die ein sorgloser Sommeraufenthalt auf dem Lande hervorrief“.
Dennoch ist das viersätzige Werk denkbar weit von einer spätromantischen Idylle entfernt. Es lässt nicht nur eine deutliche Abwendung von Haas’ wenige Jahre zurückliegenden ersten Auseinandersetzung mit der prominenten Gattung (1920 während der Studienzeit des Komponisten als op. 3 entstanden) erkennen, sondern fügt sich auch nahtlos in den Kontext all jener Tendenzen, die zeitgenössische Tanz- und Unterhaltungsmusik für den Konzertsaal fruchtbar zu machen.
Entsprechend erweist sich die in unterschiedlichen Abstufungen alle vier Sätze durchziehende rhythmische Bewegung als bedeutsamstes Gestaltungselement: Unter anderem dem Tonfall von Modetänzen abgelauscht, nimmt sie charakteristische Ausdrucksformen wie den Charleston-Rhythmus an, schlägt sich aber auch in der Ad-libitum-Besetzung eines Schlagzeugs in dem mit „Wilde Nacht“ betitelten Finale nieder. Obgleich von Haas nicht in die Partiturreinschrift integriert, sondern lediglich als gesonderte Stimme überliefert, hat Herausgeber Ondřej Pivoda gut daran getan, diesen Schlagzeugpart in die Neuausgabe mit aufzunehmen – bietet sich dadurch doch nun die Möglichkeit, der Komposition bei einer Aufführung eine ganz eigene Farbe und Wirkung zu verleihen.
Dass dies zu Lebzeiten von Haas durchaus geschah, erfährt man im dreisprachigen Vorwort zur Partitur (tschechisch, englisch, deutsch), in welchem der Herausgeber über die frühe Rezeptionsgeschichte des Streichquartetts Auskunft gibt sowie über Entstehungsumstände und Kompositionsprozess des Werks unterrichtet.
Seine editorischen Entscheidungen hat Pivoda sorgfältig und nachvollziehbar dokumentiert: Der Kritische Bericht am Ende der Partitur, in englischer Sprache verfasst, enthält eine genaue Beschreibung sämtlicher zu Rate gezogenen Quellen, diskutiert aber auch die Editionsprobleme, zu denen insbesondere die Frage nach der genauen Besetzung des Schlagzeugs gehört. Darüber hinaus ist hier auch der Wortlaut zweier Passagen abgedruckt, die Haas nachträglich durch Überklebung modifiziert hat, was die Möglichkeit eines Einblicks in die Kompositionswerkstatt eröffnet.
Während die Studienpartitur im kleineren Format gedruckt ist, weist das Stimmenmaterial den gewohnt großzügigen Satz der Bärenreiter-Urtext-Ausgaben auf, dessen übersichtliche Verteilung auf die Notenseiten adäquat an die praktischen Bedürfnisse der Interpreten angepasst ist.

Stefan Drees