Suk, Josef
Streichquartett Nr. 1 B-Dur op. 11
hg. von Zdenek Nouza, Urtext, Taschenpartitur/Stimmen
Während die großformatigen Orchesterwerke Josef Suks in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Comeback in den Konzertsälen und in zahlreichen Aufnahmen gefeiert haben, steht der Kammermusik des Dvorák-Schwiegersohns Ähnliches so bleibt zu hoffen noch bevor. Gerade einmal das Klavierquartett und -quintett werden regelmäßig gespielt; dem hier im Urtext wiedergegebenen Streichquartett in B-Dur begegnet man hingegen kaum. Und das, obwohl das Werk durchaus erfolgreiche erste Aufführungsjahre erlebte. Auch an der Umarbeitung bzw. Neukomposition des Schlusssatzes kann das nicht liegen beide Fassungen scheinen auf den ersten Blick überzeugend. So überzeugend, dass Suk selbst, der mit der Neufassung des Finales dem gesamten Quartett einen gewichtigeren Schluss geben wollte, in eigenen Aufführungen mit seinem Böhmischen Streichquartett immer auch wieder die Ursprungsfassung wählte.
Josef Suks erstes Streichquartett (das unter Mitzählung eines Jugendwerks eigentlich sein zweites wäre) ist ganz sicher ein wesentliches Destillat aus seiner jahrelangen Arbeit mit dem Böhmischen Streichquartett. Zu seiner Zeit war dieses Ensemble, in dem Suk die zweite Geige spielte, eine der bekanntesten Kammermusikformationen in Europa was eine enorme Konzert- und Reisetätigkeit zur Folge hatte, die es dem Komponisten oft nur in der spielfreien Zeit im Sommer erlaubte, längere Zeit mit dem Komponieren zu verbringen. Sein B-Dur-Quartett entstand deshalb auf Basis vieler Skizzen, die Suk im Laufe eines guten Jahres zu seinem offiziellen Quartett-Erstling zusammenfügte. Auffallend sind dabei die große melodische Fülle und der stete Fluss des musikantisch angelegten Werks. Die Streicherstimmen sind in allen vier Sätzen durchaus gleichberechtigt, die erste Violine ragt nur ganz selten einmal, etwa im nachkomponierten Finale, aus dem musikalischen Geschehen heraus.
Zeitgenössische Kritiken ordnen Josef Suks B-Dur-Quartett-Opus nicht nur als überzeugend auch gerade im Vergleich mit den Quartetten von Johannes Brahms ein, sondern berichten immer wieder vom besonderen Publikumserfolg des auf den Eingangssatz folgenden Intermezzos. Marschartig beginnend, entwickelt dieses Intermezzo einen für Suk so typischen musikalischen Sog, einen überwältigend direkten Schwung, der die vier Streichinstrumente gleichsam vom Quartett zum Orchester erweitert. Hier spricht der Geiger Josef Suk im Notentext wohl das aus, was vor gut einhundert Jahren die Begeisterung für das Böhmische Streichquartett auf seinen Europatourneen ausgemacht haben muss. Gerne hätte man das Werk einmal in der Wiedergabe Suks und seiner drei Mitstreiter gehört!
Daniel Knödler