Antonín Dvořák

Streichquartett C-Dur

op. 61, Urtext, hg. von Peter Jost, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle
erschienen in: das Orchester 04/2021 , Seite 64

Seit einigen Jahren schon gibt Peter Jost in vertrauter Art und überzeugender Kenntnis Kammermusik unter anderem von Antonín Dvořák beim Münchner Henle-Verlag heraus. Nach Dvořáks letzten drei Streichquartetten legte Jost nun das Streichquartett C-Dur op. 61 vor – gemeinhin als Dvořáks elftes Werk dieser Gattung bekannt.
Die Entstehungsgeschichte, die Jost ausführlich im dreisprachigen Vorwort erläutert, verläuft nicht ganz ohne Hindernisse. Nach Dvořáks internationalem Durchbruch als gefeierter Komponist erhielt er von Joseph Hellmesberger wohl im Sommer 1881 den Auftrag, für sein Quartett ein neues Werk zu schreiben. Obgleich Dvořák mit seiner neuen Oper Dimitrij beschäftigt war, begann er mit der Komposition eines Stückes in F-Dur, welches er jedoch bald wieder unterbrach, um sich wieder der Oper zu widmen.
Als er aber erfuhr, dass Helmesberger eine baldige Uraufführung eines neuen Quartetts schon in der Zeitung angekündigt hatte, unterbrach Dvořák die Komposition der Oper und begann mit einem neuen Quartett in C-Dur, das er rasch zwischen dem 25. Oktober und 10. November 1881 niederschrieb. Wohl aus einer gewissen Zeitnot heraus nahm er auch Themen aus anderen seiner Kompositionen.
Auch die Drucklegung, die Herausgeber Peter Jost beinahe lückenlos aufzeichnen konnte, verlief nicht ganz ohne Probleme. Nicht zuletzt musste sogar der vorgesehene Uraufführungstermin am 15. Dezember wegen der Brandkatastrophe eine Woche zuvor, als das Wiener Ringtheater völlig zerstört wurde, abgesagt werden. Selbst die auf den 12. Januar 1882 verschobene Aufführung durch das Hellmesberger-Quartett kam nicht zustande. Die Gründe dafür mögen, so Jost, im verlorenen Interesse liegen, weil das Quartett wohl nicht dem erwarteten Stil entsprach und vom technischen Anspruch und der an Franz Schubert orientierten Harmonik den Musikern zu schwierig erschien. Die Uraufführung fand am 2. November 1882 in Berlin durch das Joachim-Quartett statt. Im Nachhinein konnte sich op. 61 gegenüber den späteren Streichquartetten nicht durchsetzen.
Der ausführliche und zweisprachig verfasste Kritische Bericht mit seinen relativ wenigen und überschaubaren Einzelbemerkungen, die ebenso in der Stimme der ersten Violine abgedruckt sind, gibt Auskunft über die übersichtliche Quellenlage: die Erstausgabe der Partitur, die als Hauptquelle für die vorliegende Edition diente, sowie die Stimmen und der Klavierauszug mit einigen Änderungen und dynamischen Ergänzungen aus der Hand des Komponisten.
Die Stimmen selbst haben in gewohnter Henle-Qualität ein übersichtliches und sehr gut zu lesendes Notenbild, und es gibt Leerseiten zum besseren Umblättern. Anmerkungen wie die direkt aus der Quelle stammenden Fingersätze (z. B. in der 1. Violine im Trio des III. Satzes) oder ein Haltebogen im Kopfsatz der Violoncello-Stimme sind sinnvollerweise jeweils in den Stimmen abgedruckt.
Werner Bodendorff