Oliver Drechsel, Andreas Herkenrath und Johan Ullén

Stockholm@Köln. New Chamber Music for Bassoon and Piano

Berthold Grosse (Fagott), Oliver Drechsel (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Arcantus
erschienen in: das Orchester 05/2020 , Seite 79

Der künstlerische Werdegang des Fagottisten Bertold Grosse ist vielfältig verlaufen. Aufgewachsen in Thüringen, wurde er an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar ausgebildet. Seine beruflichen Stationen waren die Thüringen Philharmonie Suhl, das Landestheater Eisenach, die Düsseldorfer Symphoniker und das Königliche Opernorchester Stockholm, wo er seit 2002 als stellvertretender Solofagottist engagiert ist.
Nun hat er zusammen mit befreundeten Komponisten aus Köln und Stockholm eine Einspielung mit neuen Kammermusikwerken für Fagott und Klavier vorgelegt. Der Komponist Oliver Drechsel (*1973) ist auch der Klavierpartner in seinem festen Duo. In den Epilogues (Ä) II op. 22 beschreibt Drechsel in zehn kurzen Stücken musikalisch Attribute –humoresk, energisch, keck –, die man dem Fagott als Instrument oft zuordnet. Bei dieser Musik handelt es sich um Spielstücke für die Mittel- und Oberstufe, die jeder Repertoireliste bei Jugendwettbewerben gut zu Gesicht ständen. Zuweilen treibt der Komponist den Fagottisten in die eisige Höhe der Tonskala, hier ist Griffsicherheit gefragt.
Überhaupt scheint Oliver Drechsel diese Tonlage des Fagotts zu lieben, was auch in seinen Paganini-Variations op. 45 unüberhörbar ist. Seine Auslassungen über das Thema des Teufelsgeigers sind jedoch technisch wesentlich anspruchsvoller.
Der zweite Komponist vom Rhein auf der CD ist Andreas Herkenrath (*1970), selbst studierter Fagottist und heute Musik- und Mathematiklehrer in Bonn. Sein zartes Opus 2001 beginnt gesanglich und geht dann in einen gefühlvollen Walzer über. Herkenraths zweites Werk auf der CD ist sein Opus 19 Bassoon meets Jazz. Dieser Titel ist ein Versprechen und die Blues-Harmonien und der „walking bass“ bereiten viel Spaß.
Berthold Grosse präsentiert sich in seinem Fagottspiel intonationssicher und technisch einwandfrei. Sein Ton ist kernig, elegant hell und schlank. Schöne Legatobögen werden bei ihm durch ein geschmackvolles Vibrato unterstützt.
Die Aufmachung und das Booklet der CD sind gut gelungen. Leider fehlen dem interessierten Hörer die Verlagsangaben. Auf Nachfrage wurde mitgeteilt, dass die Werke von Drechsel und Herkenrath im Verlag Schottstädt bzw. Verlag Dohr erschienen sind.
Kompositorisch in einer anderen Liga schreibt der 1972 in Stockholm geborene Johan Ullén. Seine Kammermusik- und Orchesterwerke – verlegt in seinem Eigenverlag – werden mittlerweile international aufgeführt. Sein Strange Lullaby für Fagott und Klavier macht farbenreich diese beiden Instrumente zu wirklichen Duopartnern und steigert sich nach zögerndem Beginn in einen Wahn. Effektvoll und voller Kraft ist auch sein Tango Dolce für dieselbe Besetzung. Allein schon diese beiden Werke sind Gründe für den Erwerb dieser lobenswerten CD.
Holger Simon