Werke von Adrian Willaert, Thomas Stoltzer, Ludwig Senfl und anderen

Stille Nacht … Christmas Choir Music

RIAS Kammerchor, Ltg. Uwe Gronostay

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite 97.711
erschienen in: das Orchester 04/2015 , Seite 81

Die Ära Uwe Gronostays als Leiter des RIAS Kammerchors zwischen 1972 und 1986 bleibt wohl für die Geschichte des Ensembles in absolut prägender Erinnerung. Umso dankbarer muss man die Audite-CD ansehen (und anhören!), die unter dem etwas populistischen Titel Stille Nacht… einen Strauß von A-cappella-Weihnachtsliedern in Aufnahmen aus eben diesen Jahren bereitstellt. Die Auswahl der teils bekannten, vielfach aber auch unbekannten Liedsätze legt dabei Schwerpunkte auf die Zeit des Frühbarock sowie auf das 20. Jahrhundert. Die Romantik mit Einspielungen zweier durchaus hörenswerter Werke von Carl Loewe und Heinrich von Herzogenberg wird dagegen eher gestreift.
Es steht außer Frage, dass die Qualität des Chorklangs, seine Homogenität, dass Intonation und Textverständlichkeit, Stilsicherheit und Ausdruckskraft des RIAS Kammerchors unter Uwe Gronostay so gut wie keine Wünsche offen lassen. Sicher: Da kommt in den Aufnahmen der frühen, der 1970er Jahre die Musik der alten Meister wie Ludwig Senfl, Michael Praetorius oder Leonhart Schröter manchmal etwas betulich daher. Aber wer kann auf der anderen Seite Johann Eccards Übers Gebirg Maria geht so gekonnt und zugleich beseelt vortragen?
Interessant, wenngleich gelegentlich etwas naiv gesetzt, mutet ein Reigen europäischer Weihnachtslieder an, den Gronostays Studienfreund Wolfgang Jehn verfasste und dessen Produktionsjahr 1972 das früheste Dokument der Leistungsfähigkeit des RIAS-Ensembles darstellt.
Die besondere Stärke des Chors offenbart sich jedoch in Sätzen von Vertretern der gemäßigt modernen Chormusik des 20. Jahrhunderts wie Hans Friedrich Micheelsen, Johann Nepomuk David, Helmut Barbe oder Heinz Werner Zimmermann. Allein der Repertoirewert der hier zu hörenden Werke ist enorm. Und wenn man den Chor dann bei einer klangflächig-schönen Bearbeitung von Die Nacht ist vorgedrungen aus der Feder Uwe Gronostays höchstselbst hören kann, glaubt man, das Ensemble ganz bei sich selbst (und bei seinem Leiter) zu finden.
Dem Label Audite ist das uneingeschränkte Kompliment zu machen, mit dieser Weihnachtsliederproduktion weitab der bekannten Pfade mit der immer gleichen Liedauswahl und den immer wieder zu hörenden Bearbeitungen zu wandeln. Denn Nischen zu besetzen ist richtig, aber riskant zugleich. Wenn es allerdings so gekonnt, mit Anspruch und mit Einspielungen höchster Chorqualität gemacht wird, wird der Erfolg wohl nicht lange auf sich warten lassen. Und den die CD beschließenden Satz zu Stille Nacht, heilige Nacht nimmt man wegen seiner Dauer von nur 3:36 Minuten dann auch gerne in Kauf. <
Thomas Krämer