Suppan, Wolfgang

Steirisches Musiklexikon

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 2009
erschienen in: das Orchester 10/2009 , Seite 65

Zwischen 1962 und 1966 veröffentlichte Wolfgang Suppan erstmals das Steirische Musiklexikon, das natürlich inzwischen veraltet und auch vergriffen ist. Eine Neuauflage war also längst überfällig, und die kann sich mit nunmehr circa 6000 Artikeln wirklich sehen lassen. Während Suppan darin den historischen Bereich möglichst vollständig dokumentieren wollte, würdigte er von noch lebenden Personen vordringlich diejenigen, „die für das steirische Musikleben besondere Leistungen erbracht haben und erbringen“. Dabei klammerte er allerdings den „Bereich der seit Ende des Zweiten Weltkrieges jeweils kurzzeitig aktuellen Popularmusik-Moden, sowohl der traditionell-volkstümlichen wie der jazzverwandte Formen“ aus – eine zwar verständliche Entscheidung, bei der aber auch ein wenig akademisch-elitäres Denken mitschwingt. Doch dafür wird man mit einer beinahe unerschöpflichen Informationsfülle entschädigt, wobei übrigens die „leichte Muse“ keineswegs gänzlich fehlt.
In einem Alphabet sind Personenartikel über Komponisten, Musiker, Instrumentenbauer und Musikwissenschaftler mit oftmals recht ausführlichen Werk- bzw. Schriftenverzeichnissen sowie musikgeschichtliche Beiträge über einzelne Städte enthalten (bei kleineren Orten jedoch nur Hinweise auf betreffende Literatur). Neben den allgemein geläufigen Persönlichkeiten (darunter Robert Stolz oder Hugo Wolf) findet man unzählige weitere Landeskinder und stößt dabei noch auf ebenfalls bekannte Namen, die man aber nicht ohne Weiteres mit der Steiermark verbindet (etwa Hermann Grabner oder Hans Rosbaud); meistens sind die Artikel durch knappe bibliografische Angaben ergänzt. Außerdem wurden zugezogene oder zeitweise hier lebende Künstler berücksichtigt (beispielsweise Schubert oder Brahms) und die Wirkungsgeschichte ausgewählter Komponisten, welche die Steiermark aber nie besucht haben, nachgezeichnet (darunter Mozart, Beethoven oder Wagner).
Eigentlich bliebe nur noch das Bedauern über fehlende Abbildungen oder Notenbeispiele auszudrücken, wenn der Band nicht ein schwerwiegendes Defizit aufweisen würde: Die Zeit zwischen 1938 und 1945 scheint nämlich weder in den Orts- noch in den Personenartikeln einer besonderen Erwähnung wert zu sein. Gelegentlich stößt man in den Werkverzeichnissen zwar auf offensichtlich „braune“ Kompositionen (etwa bei Leopold Suchsland mit den Chorsätzen “Dem Führer” oder “Das Hakenkreuz”), doch dergleichen bleibt generell unkommentiert. Außerdem wird eine peinliche Tradition in der deutschen Musikwissenschaft nach 1945 fortgesetzt, wenn etwa bei Otto Erich Deutsch, einem der renommiertesten, als Jude aber nach dem „Anschluss“ zur Flucht gezwungenen Musikwissenschaftler, der Grund seines England-Exils (1939-1953) einfach verschwiegen wird; ein Wort wie „Emigration“ kennt man offenbar nicht – schade, dass sich eine eigentlich verdienstvolle Arbeit so selbst abwertet.
Georg Günther