Arvo Pärt

Stabat Mater und andere Werke

Aleksandra Kurzak (Sopran), Andreas Scholl (Countertenor), Roberto Alagna (Tenor), Morphing Chamber Orchestra, Ltg. Tomasz Wabnic

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Aparté
erschienen in: das Orchester 5/2023 , Seite 70

Das Morphing Chamber Orchestra wurde 2006 in Polen gegründet. Sein Künstlerischer Leiter Tomasz Wabnic erklärt den englischen Namen, der wörtlich übersetzt so viel wie „Verwandlung“ bedeutet, als das Aufeinandertreffen zweiter Welten, aus dem etwas Neues, Drittes entsteht. Dies scheint die erste CD des Ensembles zu sein, auf der die Musiker:innen nicht nur als Begleitung fungieren, sondern ein eigenes Programm präsentieren, und zwar Werke von Arvo Pärt – vornehmlich aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, aber auch My Heart’s in the Highlands von 2000 sowie das Vater Unser von 2005. Da finden sich einige der mittlerweile ins Repertoire übergegangen Pärt-„Hits“ wie Fratres, Spiegel im Spiegel und Summa, in denen das Orchester zeigen kann, wie sehr es mit der Tonsprache Pärts verbunden ist. In diesen Werken ist man einen etwas pureren Ton gewohnt, wie er dem auf Alter Musik basierenden Stil des Komponisten vielleicht angemessen ist, der aber auch leicht ins Aseptische umschlagen kann. Das Morphing Chamber Orchestra traut sich hier mehr Emotionalität zu, die ja in Pärts Musik durchaus auch vorhanden ist. Manchmal jedoch ist die etwas drängende, emphatische Spielweise etwas zu viel des Guten.
Neben den drei reinen Instrumentalwerken finden sich einige Kompositionen, in denen der Countertenor Andreas Scholl den Solo-Vokalpart übernimmt – neben den beiden erwähnten neueren Stücken sind dies Ein Wallfahrtslied sowie Es sang vor langen Jahren nach einem Text von Clemens Brentano. Diese vier Lieder sind es, die auf der CD am meisten zu überzeugen vermögen. Zum einen repräsentieren sie aufs Schönste Pärts sparsamen „Tintinabuli“-Stil, zum anderen sind sie auch nicht so allbekannt wie Fratres – und nicht zuletzt ergänzt sich Scholls glockenreine, helle Stimme aufs Angenehmste mit Pärts kunstvoller Schlichtheit.
Nicht ganz so beglückend ist die Einspielung von Pärts Stabat Mater geraten. Mit der Neufassung des Werks, die von Tomasz Wabnic eingerichtet wurde, gibt es keinerlei Probleme – statt des vorgesehenen Streichtrios begleitet ein Streichorchester die drei Solist:innen. Doch eben die drei Solostimmen sind es, die nicht zufriedenstellen können: Neben Scholl agieren hier die Sopranistin Aleksandra Kurzak und der Tenor Roberto Alagna – beide in einem Repertoire, in dem sie sonst nicht unterwegs sind, wie man deutlich hört. Das starke, opernhafte Vibrato sowie der äußerst emphatische Gesangsstil von Kurzak und Alagna vertragen sich einfach nicht mit der Reinheit sowohl von Scholls Stimme als auch von Pärts Musik. Hier prallen – um noch einmal die Definition des Ensemblenamens aufzugreifen – zwei Welten aufeinander, ohne dass jedoch etwas überzeugendes Neues daraus entsteht. Insgesamt jedoch bietet die Veröffentlichung einen brauchbaren Querschnitt durch Pärts Musik.

Thomas Schulz