Gioachino Rossini

Stabat mater

Rosa Feola (Sopran), Gerhild Romberger (Alt), Dmitry Korchak (Tenor), Mika Kares (Bass), Chor des Bayerischen Rundfunks, Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Howard Arman

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Music
erschienen in: das Orchester 03/2019 , Seite 66

Immer wieder ist Rossini vorgeworfen worden, dass seine geistliche Musik eher der Oper als der Kirche zuneige. Tatsächlich trägt auch sein Stabat mater unverkennbar weltliche Züge, die den Zeitgenossen Richard Wagner nach dem Rummel um die Uraufführung des Werks, bezeichnenderweise am Pariser Théâre Italien, 1841 zu der hämischen Vermutung veranlasst haben, der ungeliebte Kollege folge lediglich einer Mode der feinen Gesellschaft: „die Pariser Salons sind Betstuben geworden“.
Dabei hat den neidischen Sachsen in seinem pointiert boshaften Bericht über den tosenden Triumph des Stabat mater gewiss die eigene Erfolglosigkeit in seinen Pariser Jahren zu solch galligem Ingrimm verführt. Es ist freilich nicht von der Hand zu weisen, dass Rossini seine großen geistlichen Stücke erst nach dem nicht ganz freiwilligen Abschluss seiner Opernkarriere geschrieben hat. Überdies findet die südländisch geprägte Religiosität des Komponisten zweifellos auch in seiner Sakralmusik ihren Ausdruck.
Schon die Entstehung des Stabat mater ist nicht frei von Sonderbarkeiten. Als Rossini die Partitur seinem Auftraggeber, dem spanischen Prälaten Valera, 1832 übergab, hatte er nur die Hälfte der Stücke selbst komponiert und den Rest seinem Schüler Tadolini stillschweigend zur Vervollständigung überlassen. Die Uraufführung dieser Version in Madrid 1833 fand keine Wiederholung, und Rossini fügte in den Folgejahren die fehlenden Partien ein, bis das Werk nach mancherlei juristischen und finanziellen Turbulenzen endlich seine echte Uraufführung erlebte und vom entzückten Pariser Publikum so frenetisch gefeiert wurde, dass drei Stücke sogar wiederholt werden mussten. Es ist erstaunlich, dass die lang gezogene, stückweise Genese die musikalische Einheitlichkeit des Werks nirgendwo beeinträchtigte.
An Einspielungen des Stabat mater ist kein Mangel. Die Aufnahme mit dem vorzüglich spielenden Münchner Rundfunkorchester unter Howard Arman zollt dem blühenden Melos der Partitur angemessenen Respekt, hält sich aber in der Ausmalung ihrer musikalischen Opulenz vergleichsweise zurück. Auch der von Arman seit 2016 geleitete Chor des Bayerischen Rundfunks folgt überzeugend dem musikalischen Konzept der Interpretation, wahrt im Wechselgesang mit den Solisten eine harmonische Balance und kommt mit der vertrackten Fugierung des Finales souverän zurecht.
Bei den Solisten bewähren sich vor allem der sonore Bass Mika Kares (im großartigen „Pro peccatis suae gentis“) und der leuchtende Sopran der vielseitigen Rosa Feola. Dmitry Korchak dagegen bleibt dem berühmten tenoralen Bravourstück „Cujus animam gementem“, dessen Kadenz Rossini gar in einem strahlenden hohen des gipfeln lässt, die zuträgliche Italienità weitgehend schuldig, und die als Konzertsängerin bewährte Altistin Gerhild Romberger hält sich in kraftvollem Vortrag bewusst von der allemal auch opernhaften Allüre in „Fac ut portem“ fern.
Rüdiger Krohn

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