Huw Watkins
Spring for orchestra
Studienpartitur
Der walisische Komponist Huw Watkins (*1976) studierte in Manchester, Cambridge und am Royal College of Music in London Klavier und Komposition. Er ist derzeit Honorary Research Fellow für Komposition an der Londoner Royal Academy of Music. Neben diverser Kammermusik schuf er eine Sinfonietta und eine Hymne für Orchester sowie ein London Concerto für Violine, Fagott, Harfe und Orchester, zudem ein Klavierkonzert, ein Violinkonzert und ein Doppelkonzert für Viola, Cello und Orchester.
Sein neuestes Werk Spring wurde 2017 komponiert und am 19. Januar 2018 vom BBC National Orchestra of Wales unter Leitung von Ryan Wigglesworth in der St. David’s Hall in Cardiff uraufgeführt. Die Studienpartitur wurde im März 2018 fertiggestellt. Sie ist sehr übersichtlich und gut lesbar gesetzt und zum Kennenlernen des Werks gut geeignet. Der Verlag weist darauf hin, dass aktuelle Änderungen an der Komposition stattgefunden haben können, welche in die Aufführungsmaterialien eingearbeitet sind, die dann als Leihmaterial zur Verfügung stehen.
Die Besetzung des etwa eine Viertelstunde dauernden einsätzigen Orchesterstücks entspricht der eines romantischen Orchesters mit jeweils drei Flöten, Klarinetten, Fagotten, Trompeten und Posaunen, vier Hörnern, einer Harfe und zwei dezent eingesetzten Schlagzeugen. Meistens herrscht der 5/8-Takt vor und ein schnelles Grundtempo. Aus diesen rhythmisch lebhaften Bewegungen entwickelt Huw Watkins eine farbenreiche, organisch verwobene Musik in einer gemäßigt modernen Tonsprache.
Zu Beginn entwickelt sich aus den Sechzehnteltriolenbewegungen der Flöten ein filigraner Klangteppich, unterstützt durch augmentierte Motive der Streicher, in welchem sich die Intervalle allmählich vergrößern, sequenziert werden und zu neuen Motiv- und Themenbildungen führen. In den ruhigeren Zwischenepisoden kommt auch die Harfe schön zur Geltung. Es entfalten sich verschiedene Intervallgesten, die wie Anspielungen auf walisisches und englisches Volksliedgut klingen und in tänzerischen Synkopen durch mannigfaltige, hin und wieder mediantisch gelegene Tonarten führen.
Diese gut orchestrierte sinfonische Dichtung ist überaus abwechslungsreich und in der motivisch konsequenten Arbeit organisch und geschlossen. Dieser Eindruck wird zudem durch den Formaufbau unterstützt, hier besonders durch das Aufgreifen des ersten Abschnitts gegen Ende. Die Triolenbewegungen der Flöten werden später von den höheren Streichern fortgeführt. Solche hellen Klangfarben unterstützen das frühlingshafte Aufblühen dieser Musik. Die Klangketten werden in Sekundbewegungen verschränkt, wobei die Dissonanz weniger vordergründig wirkt, denn es ist alles in ständiger Bewegung, die erst am Ende abebbt und im gehaltenen Ton fis der Bratschen unter dem lydischen G-Dur der beiden Violinen, der Harfe und der Flöten nachklingt.
Christoph J. Keller