Eleonore Büning

Sprechen wir über Beethoven

Ein Musikverführer

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Benevento
erschienen in: das Orchester 05/2020 , Seite 65

Dies Buch ist eine Liebeserklärung an Beethoven und seine Musik. Die Autorin verschafft sich und ihren Lesern mit ihrer Kunst, über Musik zu sprechen, eine durchaus erotisch zu nennende Nähe zu ihrem Komponisten, mit dem sie sich seit ihrer Dissertation Wie Beethoven auf den Sockel kam ihr ganzes Leben beschäftigte. In diesem „Musikverführer“ holt Eleonore Büning, lange Zeit Musikredakteurin der FAZ, ihr Liebesobjekt von seinen Sockeln wieder herunter, macht es vom „Mythos Beethoven“ zum Menschen.
Es soll in Bünings Buch nicht um „letzte Wahrheiten“ gehen, und so stellt sie auch eine Frage wie: „Konnte Beethoven kochen?“ Wichtig? Unbedingt! Weil es Teil der schillernden Buntheit dieses mit inhaltlicher Vielfalt und immensem Wissen prunkenden Porträts in 26 Kapiteln ist. Büning klärt ihre Leser auf. Darüber, dass die Geschichten über den armen, vom trunksüchtigen Vater zur Wunderkind-Karriere ans Klavier geprügelten Jungen so nicht stimmen. Dass Beethoven nämlich eine durchaus glückliche, liebevoll geförderte Kindheit hatte, in der er als Zwölfjähriger und demnächst Mitglied der Kurfürstlichen Kapelle am Bonner Hof seine Kurfürsten-Sonaten komponiert. Wenn Büning die f-Moll-Sonate, deren „ganz spezielles Feuer“, mit knappen Worten einen „Vorschein“ der Pathetique nennt, ist sie flugs bei op. 111 mit deren „Weltabschieds“-Schlusssatz. Und mit ebensolcher Leichtigkeit ist sie bei deren Interpreten, die sie knapp und pointiert charakterisiert.
Wer dies Buch liest, wird zum Kenner und kann bei der Fünften darauf achten, ob sie denn auftaktig, also mit einer Pause, „die man hören muss“, beginnt – was die meisten Dirigenten der mehr als 160 Aufnahmen, die Büning kennt, nicht „hinkriegen“.
Das Buch ist überreich an solchen musikverführerischen, detaillierten historischen, musikalischen, ästhetischen Betrachtungen. Ursprünglich war der Text konzipiert als Rundfunksendung für den rbb, doch muss man das Fehlen der Musik im Buchtext wegen seiner so wunderbaren, musikbeschreibenden Sprache kaum beklagen, wenn man sich ein bisschen mit Beethovens Werke auskennt. Das tönt von allein, z.B. bezüglich op. 7: „und Beethoven erfindet ein robust daherstampfendes Oberstimmenthema mit saftigen Intervallsprüngen dazu, und wie er dann wieder zurückswitcht ins Dur-Rondo, diese Nahtstelle konnte kein anderer so erdichten. Alles, was folgt […], klingt wie ein Geheimnis, das nicht verraten werden darf.“
Was verraten werden muss: Beethoven, der Womanizer, war oft verliebt. Das muss man wissen, wenn man seine Musik erspüren will. Das reichte von den „Wiener Salonflammen“ bis hin zum „unsagbaren Glück“ der Liebe zu Josephine von Brunsvik. Für Büning ist sie ohne Zweifel die „unsterbliche Geliebte“, nach der zahllose Forscher gefahndet haben. Mit ihr hat Beethoven sich geduzt – und folglich auch das Bett geteilt. Und eine Tochter Minona gezeugt, wie die Autorin überzeugt feststellt. Das wird erzählt mit liebevoller Empathie: Da ist Beethoven so gar kein tragisch Liebender. Und man ist verführt, in seiner Musik auch auf ihre vielen zärtlichen Gesten zu hören.
Günter Matysiak