Nikolaus Bachler
Sprachen des Musiktheaters
Dialoge mit fünfzehn zeitgenössischen Regisseuren
Wenn das ganze Leitungsteam einer Staatsoper Abschied nimmt, sollte es etwas als Dokument dieser Zeit geben, etwa viele Mitschnitte auf Medien oder ein gewichtiges Buch. Zum Ende der Intendanz von Nikolaus Bachler an der Bayerischen Staatsoper jedoch gab es keinen opulenten Bildband mit Jubel-Zitaten aus ausgewählten Kritiken – sondern vielmehr ein Lesebuch zum zeitgenössischen sogenannten „Regietheater“.
Mit zwei Regisseurinnen, 13 Regisseuren und einem auch inszenierenden Choreografen hat Nikolaus Bachler sozusagen „Kamingespräche“ geführt – und zwar weit über die Inszenierungen der Gesprächspartner während seiner 13-jährigen Intendanz hinausgehend: Die Gespräche führen mal in die Jugend, mal ins Private, oft ins Grundsätzliche zu Libretto, Entstehungs- oder Erarbeitungszeit, zur Musik und zum Theater früher und heute.
Verzichtbar: die einleitende, schwurbelige, sich poetisch gebende „Dichtung“ von Albert Ostermaier, die auch nicht zu Titel und Intention des Buchs passt – ebenso wenig wie die 13 Zeichnungen von Georgia Grinter. Zu Recht aber steht Hans Neuenfels am Anfang der Gäste, denn die „Frankfurter Neubefragung von Klassikern“ durch das Duo Michael Gielen und Klaus Zehelein und dann die Aida-Neuinszenierung durch Neuenfels bildeten einen ersten Gipfel der Interpretation dessen, was als „Regietheater“ etikettiert wird.
Dann folgt im Buch – in Gesprächen unter anderem mit David Bösch, Frank Castorf, Andreas Dresen und Martin Kušej bis hin zu Amélie Niermeyer und Krzysztof Warlikowski – viel Lesenswertes und Differenziertes zu Kunst, Theater und Leben, aber eben auch Persönliches. Glasklar benennt Romeo Castellucci: „Oper ist heutzutage ein großes transatlantisches Geschäft“. Martin Kušej befürwortet Eingriffe in die Werke – und als Bachler ihm entgegenhält, dass im Schauspiel seit 20 Jahren „Anything goes“ gelte, gesteht Kušej, dass dies „in eine fürchterliche Sackgasse geführt“ habe. Leider wird dieser Aspekt dann nicht klar und überzeugend ausdiskutiert.
Generell gilt für viele der geäußerten Gedanken: Das hätte der regelmäßige Besucher der 13 Bachler-Jahre auf den Münchner Bühnen gerne griffiger, in sich konsequenter und überzeugender in den jeweiligen Inszenierungen erlebt. Spannend zu lesen sind die Aussagen der in der theatralisch „reichen“ DDR inszenierend aufgewachsenen Regisseure wie Castorf oder Dresen. Ob dann ein Axel Ranisch in diese Regie-Liga gehört, ist fraglich – sein Multimediales war bislang kein Reingewinn.
Die „Hassliebe zur deutschen Kultur“ eines Barrie Kosky und dann seine große kulturelle Tour d’Horizon von Vaudeville bis zu Bernd Alois Zimmermann ragt aus dem für Opern- und Musiktheaterfreunde lesenswerten Band heraus. Und zu den in der Bachler-Intendanz fehlenden Köpfen wie Peter Konwitschny, Lydia Steier, Stefan Herheim, Claus Guth, Tobias Kratzer und insbesondere Christof Loy gibt es ja zum Glück andere Veröffentlichungen.
Wolf-Dieter Peter