Norbert Trawöger
Spiel
Als ausgebildeter Flötist versteht sich Norbert Trawöger, geboren 1971 im österreichischen Wels, als spielender, lehrender, schreibender und gestaltender Musiker. Seine künstlerische Tätigkeit ist enorm vielseitig und schließt das Improvisieren, Schreiben und Kommunikation in vielerlei Formen ein. Seit 2019 ist Trawöger Künstlerischer Direktor des Bruckner Orchesters Linz.
Als Improvisator und unaufhörlicher Produzent neuer Ideen ist dem Autor die Bewegung im spielerischen Raum zentrales Thema und vertraut. „Spielen ist Kochen ohne Rezept“ und andere Bonmots füllen das Buch Spiel von der ersten bis zur letzten Seite. „Wenn es ernst wird, haben wir ausgespielt.“ Das Buch ist eine Apotheose des Spielerischen, das unser Leben leichter und glücklicher macht, wenn wir uns darauf verstehen. Tragöwer leitet durch viele nahe und enfernt gelegene, zumeist helle Gedanken-Räume.
Das Buch entstand inmitten der Erfahrung von Lockdowns und Ohnmachtsgefühlen, inmitten eines „Stop-and-go-Modus“. Im „Vorspiel“ des Buchs imaginiert der Autor, wie schön es wäre, angesichts unvorhergesehener Ereignisse nicht in Starre zu verfallen, sondern sich durch die Fähigkeit zu innerer Flexibilität und Durchlässigkeit Handlungsfähigkeit und Lebendigkeit erhalten zu können. Der lebensbejahende Charakter des Spiels in allen Lebenslagen ist sein Thema.
Diese Fähigkeit zum Spiel sei eine Frage des Tuns, nicht des Könnens. Sie sei vor allem auch eine Frage der Erziehung und nicht zuletzt konträr zu der heutzutage gängigen Praxis, bereits Kleinkindern Smartphones in die Hand zu drücken, um diese ruhigzustellen.
Thema sind immer wieder auch Erfahrungen aus dem Bereich der Musik. Erinnnerungen des Autors an Kurkonzerte als Ereignisse aus Kindertagen, bei denen nicht stillgesessen werden musste. Wandelkonzerte im Sinne von Cage, den er auch andernorts als „Ermöglicher“ begreift. Das Hinterfragen der Gegebenheiten des Konzertbetriebs führt an dieser Stelle zum historischen Verweis darauf, dass „in den Anfangstagen des Konzertes, wie wir es heute kennen, Wirtshäuser und das Café Keimzellen der heutigen Konzerthäuser darstellten“. Das Konzertsaal-Zuhören im heutigen Sinne sei eine gewaltige Kulturleistung und keine Selbstverständlichkeit.
Ein anderes Kapitel widmet sich dem Thema Kreativität. Wichtig sei es, die Kategorie des Machbaren zu verlassen, das Nützlichkeitsdenken hinter sich zu lassen, somit den Raum des Künstlerischen zu betreten, in dem das Geheimnisvolle, das Magische und Unbeschreibliche sich ereigne, in dem der Mensch Mensch sein könne.
Das Buch ist das anregende Divertissement eines Idealisten. Eine Einladung ins echte Leben, ein Appell an eine Kultur der Neugier und Lebendigkeit.
Anja Kleinmichel