von Westhoff, Johann Paul / Ludovico Einaudi / Philip Glass

Spheres

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Grammophon 479 0571
erschienen in: das Orchester 07-08/2013 , Seite 76

Ist die Musikgeschichte in diesem Punkt umzuschreiben? Steve Reich gilt als einer der Mitbegründer der Minimal Music, Philip Glass, der auf dieser CD mit Echorus für zwei Violinen und Streichorchester vertreten ist, als ihr wichtigster Apologet. Aber gleich das erste Stück auf der CD, die „Imitazione delle campane“ aus der dritten Violinsonate des heute vergessenen frühbarocken Komponisten Johann Paul von Westhoff (1656-1705) erfüllt nahezu alle Kriterien heutiger Minimal Music, und die Kategorisierung Westhoffs als „Barockkomponist“ kommt nur schwer über die Lippen.
18 „Sphärenklänge“, Miniaturen von 15 Komponisten sind es, die der Violinist und Hobby-Astronom Daniel Hope auf dieser CD vereinigt, und die Spannweite reicht vom Frühbarock bis zu heutigen Zeitgenossen – mit dem eindeutigen Schwergewicht auf den Letzteren. Die Reihenfolge der Stücke ist so und nicht anders gewollt, sie ist konzeptionell – ein in diesem Fall hörbarer roter Faden verbindet die Kompositionen miteinander. Wo­zu das Ganze? Hope selbst gibt im Booklet die Antwort: „Ich wollte ein Album machen, das dieses großartige Thema behandelt, aber auch herausfinden, wie Komponisten unserer Tage sich damit auseinandersetzen.“
Die Begeisterung des Geigers insbesondere für die jungen Komponisten ist evident: Hopes Interpretationen überzeugen durch Expressivität und flexibles Eingehen auf die unterschiedlichen Charaktere der einzelnen Musikstücke. Er musiziert eindringlich und – mit einem Modewort – im besten Sinne nachhal(l)tig, weshalb es sich vielleicht empfiehlt, dem roten Faden zwar zu folgen, ihn zwischen den einzelnen Stücken aber immer auch um der Nachwirkung willen zu unterbrechen. Mal musiziert Hope mit dem Pianisten Jacques Ammon, mal begleitet ihn Chié Peters mit der zweiten Solovioline. Juan Lucas Aisemberg, Christiane Starke und Jochen Carls sind die Namen der weiteren Mitspieler, die ihn zusammen mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin unter der Gesamtleitung von Simon Halsey kongenial unterstützen.
Herausgekommen ist bei alledem eine verkaufsträchtige, nichtsdestoweniger reizvolle Mischung aus Kammermusik, Kleinsinfonik, Jazzelementen und Filmmusik. In drei Fällen (Gabriel Fauré, Aleksej Igudesman und Karl Jenkins) wird mit Mitgliedern des Berliner Rundfunkchors sogar ein – übrigens ausgezeichneter! – Chor bemüht, und, naja, auch ein bisschen „Richard Clayderman“ scheint als „Pate“ mit von der Partie: so bei den Beiträgen des Hope-Freundes Ludovico Einaudi. Eine Weltraumfahrt zum „Chillen“, im Unterschied zu den in ihrer Existenz durchaus strittigen Sphärenklängen aber nicht nur hörbar, sondern vor allem auch hörenswert!
Friedemann Kluge

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