Blömer, Rüdiger
Spektral
für Streichorchester/Streichquartett, Partitur/Partitur und Stimmen
Bei der rund sechsminütigen Streicherkomposition Spektral handelt es sich um eine instrumentale Bearbeitung, die der in Aachen beheimatete Komponist Rüdiger Blömer (*1960) auf Grundlage des ersten Satzes seines 2000 uraufgeführten Oratoriums Viderunt omnes fines terrae für Mezzosopran, Chor und Orchester angefertigt hat. Die Wirkung der Musik resultiert vor allem aus dem verwendeten Satzprinzip, eine einfache Linienführung laut Blömer aus dem Tonmaterial einer Ganzton-Halbtonreihe gewonnen zum Aufbau wechselnder harmonischer Zentren zu benutzen. Diese wiederum, im Hinblick auf ihre intervallische Beschaffenheit zwischen den beiden Extrempolen von reinen Mollakkorden und Clusterbildungen angesiedelt, werden durch Einsatz unterschiedlicher spieltechnischer Mittel zur klanglichen Entfaltung gebracht: Während Blömer etwa an einigen Stellen die Harmonik durch Auflösung der Akkorde in sehr simple Brechungen zu beweglichen Texturen formt, nutzt er in anderen Passagen die klangfarblichen Möglichkeiten der Streicher insbesondere den Einsatz von Flageoletts , um das Geschehen in unterschiedlichen Registerlagen anzusiedeln und deren jeweils eigene Klangeigenschaften ge-
gebenenfalls auch miteinander zu konfrontieren. Das Endergebnis ist ein musikalischer Verlauf, der seine Dynamik aus unterschiedlichen Graden von Bewegtheit und Statik gewinnt, dabei aber aufgrund der kompositorisch einfachen Mittel und einer in allen Stimmen gleich bleibenden Rhythmik trotz ständigen Wandels auch nie eine gewisse Steifheit überwindet.
Anforderungen und Erscheinungsweise von Spektral sind in beiden vom Komponisten erstellten Fassung unterschiedlich und fordern vor allem das Gestaltungsvermögen im Bereich der Klangfarbe. Die gewählten Vortragsanweisungen gehen zwar nicht über eine gelegentliche Verwendung von non vibrato und sul ponticello hinaus, doch stellen die Klangschichtungen aus natürlichen und künstlichen Flageoletts eine auch die Intonation herausfordernde Schwierigkeit dar. Von ihrer ganzen Anlage her ist die Streichquartettversion mit ihrer Beschränkung auf den kammermusikalischen Satz intimer, verlangt aber aufgrund der eingeflochtenen Doppelgriffpassagen auch ein gewisses technisches Vermögen von den Instrumentalisten. In der fünfstimmigen Streichorchesterversion hingegen der Verlag bietet zur vorliegenden Partitur ein Stimmenset mit dem Umfang 5/4/3/2/1 an ist für die Mehrklänge eine Teilung der Einzelstimmen vorgesehen, was die Ausführung einfacher macht. Dass diese Fassung letzten Endes auch größere klangliche Reize birgt, hängt mit der Verwendung des Kontrabasses zusammen, der gelegentlich hohe Flageoletts beisteuert und der Harmonik dadurch an einigen Stellen eine ganz besondere Färbung verleiht. In Gegensatz dazu stellt sich die Streichquartettpartitur als Reduktion dieser Fassung, was sich an einigen minimal veränderte harmonischen Dispositionen erkennen lässt.
Stefan Drees