Péter Eötvös
Speaking Drums
Four poems for percussion solo and orchestra, Solostimme
Speaking Drums ist der Titel eines Konzerts für Schlagzeug und Orchester des 75-jährigen Komponisten, Dirigenten und früheren Schlagzeugers Péter Eötvös aus dem Jahr 2013, dessen Solostimme kürzlich als Kaufmaterial beim Schott-Verlag in Mainz in der Reihe „A battere“ veröffentlicht wurde.
Mit der Kombination von Stimme und Trommel nimmt Eötvös Bezug auf Jazztraditionen und außereuropäische Musikkulturen, in denen entweder wie z.B. im Westen Afrikas die Griots mit Gesang, Laute und Trommel die Geschichte ihrer Stämme überliefern, oder wo, wie in Indien, die konkreten Melorhythmen der Trommelmusik vokalisiert werden.
Eötvös knüpft bei Speaking Drums an den nicht-narrativen Ansatz an, indem er den Solisten anfangs aus Lautgedichten von Sándor Weöres und des indischen Dichters Jayadeva Silben und kurze Worte rezitieren lässt, die im Laufe des Stücks mit perkussiven Klängen kombiniert und zu längeren musikalischen Gebilden ausgebaut werden. Voll Vergnügen ein einzelnes Wort in verschiedenen Melodien wiederholend und variierend, so lehrt der Solist geduldig seine Instrumente das Sprechen. Und ab einem bestimmten Punkt plaudern die Trommeln tatsächlich eigenständig: „Pa-ni-Ga-ji! Pa-ni-Ga-ji! Ku-do-Ra! Ku-do-Ra! Üü! Üü!“
Später im Werk gibt es viele Frage-und-Antwort-Spiele zwischen Solist und Orchester und irgendwann weiß man in dem überbordenden Spiel nicht mehr, wer hier eigentlich der Zaubermeister und wer der Zauberlehrling ist.
Sehr typisch für das fein gehörte Komponieren von Peter Eötvös ist die Fülle an klanglichen Details, die beim solistischen Part vom genau berechneten rhythmischen Fallenlassen des Trommelschlägels auf ein Fell bis zur aus einer einzigen Röhrenglocke gewonnenen Obertonmelodie reicht. Im zweiten, mystischen Satz gibt es anfangs große Stimmkontraste kombiniert mit Glissandi eines auf einem Paukenfell liegenden Beckens, später koboldartige Ekstasen und Eskapaden, ein Duo von Trompete und Hi-Hat sowie einen kleinen Samba-Triangel-Marsch. Den Abschluss der Folge einzelner Schlagzeugtänzchen und damit das Finale des gesamten Werks bildet ein 5/8‑Schnelltanz mit gemischten Instrumenten und lautstarkem „ház-kudora-kotta-üü!“.
Péter Eötvös hat mit Speaking Drums ein sehr unterhaltsames Stück Musik geschrieben, das seit seiner Uraufführung schon oft nachgespielt wurde und bei dem jeder Solist glänzen und sich in Improvisationsfreiräumen von seiner besten Seite zeigen kann. Die Orchesterbehandlung ist hochvirtuos und produziert wunderbare Klang- und Geräuschwelten, die Dramaturgie ist spannend und abwechslungsreich.
Ob es allerdings eine gute Idee war, die Orchesterschlagzeuger im dritten Satz zu Assistenten zu degradieren, die dem Solisten zu betrommelnde Alltagsgegenstände anreichen, ist fraglich. Man mag das als Hommage an Mauricio Kagels Duo L’art bruit von 1994/95 für einen Schlagzeuger und seinen Assistenten gelten lassen, kann es aber auch für einen nicht ganz so gelungenen Witz halten.
Stephan Froleyks