Peter Eötvös

Speaking Drums

Four poems for percussion solo and orchestra. Piano reduction by Reiko Emura, text by Sándor Weöres

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Schott, Mainz
erschienen in: das Orchester 5/2025 , Seite 71

Speaking Drums ist ein Konzert für sprechenden Schlagzeuger und Orchester des 2024 verstorbenen Komponisten und Dirigenten Péter Eötvös, das eines der derzeit meistgespielten Schlagzeugkonzerte ist.
Mit der Kombination von Stimme und Trommel nimmt Eötvös Bezug auf Jazztraditionen und außereuropäische Musikkulturen, in denen wie z. B. im Westen Afrikas die Griots mit Gesang, Laute und Trommel die Geschichte ihrer Stämme überliefern, oder wo, wie in Indien, die konkreten Melorhythmen der komplexen Trommelkultur vokalisiert werden.
Eötvös lässt bei Speaking Drums den Solisten aus Lautgedichten von Sándor Weöres sowie aus dessen phonetischer Umschrift des indischen Poeten Jayadeva aus dem 12. Jahrhundert rezitieren. Im Laufe des Stücks werden die Wortfetzen zunehmend mit perkussiven Klängen kombiniert und zu musikalischen Gebilden ausgebaut. Voll Vergnügen lehrt der Solist seine Instrumente das Sprechen, und ab einem bestimmten Punkt plaudern die Trommeln eigenständig: „Pa-ni-Ga-ji! Pa-ni-Ga-ji! Ku-do-Ra! Ku-do-Ra! Üü! Üü.“
Typisch für das fein gehörte Komponieren von Peter Eötvös ist die Fülle an klanglichen Details im Solopart, die vom genau berechneten rhythmischen Fallenlassen des Trommelschlägels auf ein Fell bis zur aus einer einzigen Röhrenglocke gewonnenen Obertonmelodie reicht. Der zweite, mystische Satz beginnt mit großen Stimmkontrasten und Glissandi eines auf einem Paukenfell liegenden Beckens, später kommt es zu koboldartigen Extasen und Eskapaden, einem Duo von Trompete und HiHat sowie einem Samba-Triangel-Marsch. Den Schlusssatz bildet ein 5/8-Schnelltanz mit gemischten Instrumenten und lautstarkem „ház-kudora-kotta-üü!“
Speaking Drums ist ein sehr unterhaltsames Stück Musik(theater), in dem jeder Solist glänzen und sich in Improvisationsfreiräumen von seiner besten Seite zeigen kann. Die Orchesterbehandlung ist hochvirtuos und produziert wunderbare Klang- und Geräuschwelten, die Dramaturgie ist spannend und abwechslungsreich. In der neu erschienenen, dem überwältigenden Erfolg des Werks geschuldeten Klavierreduktion des Orchestersatzes kommt diese Klangvielfalt naturgemäß zu kurz. Der Klavierauszug ist aber deutlich mehr als eine reine Probenversion zur Vorbereitung des Solisten. Manche rhythmische Finesse, die im großen Orchesterklang mitunter schwer zu hören ist, wird im Zusammenspiel mit dem Schlaginstrument Klavier besser hörbar, manch harmonisch-melodische Technik ist erst in dieser Kombination glasklar wahrzunehmen: Plötzlich hören wir Anklänge an Bartók, Ligeti und Kurtág.
Die Veröffentlichung ist eine gute Idee des Verlags, ab dem nächsten Jahr ist mit deutlich erhöhtem Eötvös-Aufkommen in den Schlagzeugkammerkonzerten der Musikhochschulen zu rechnen.
Stephan Froleyks