Hope, Daniel mit Wolfgang Knauer

Sound of Hollywood

Wie Emigranten aus Europa die amerikanische Filmmusik erfanden

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rowohlt, Reinbek 2015
erschienen in: das Orchester 03/2016 , Seite 68

„Keine Hure liebt je ihren Freier, sie will ihn so schnell wie möglich loswerden, sobald sie ihre Dienste bereitgestellt hat. Das ist mein Verhältnis zu Hollywood. Ich bin die Hure.“ So drastisch formulierte es Kurt Weill, einer aus der langen Reihe von Komponisten, deren Schicksal der Geiger Daniel Hope in seinem Buch vor uns lebendig werden lässt. Der Satz ist symptomatisch dafür, wie dicht Erfolg und Enttäuschung beieinander lagen für jemanden wie Weill und all jene, denen es gelungen war, vor der sich ausbreitenden Schreckensherrschaft der Nazis nach Amerika zu fliehen.
In Hollywood trafen sie sich „in Ermangelung anderer Kontakte“ quasi in „Parallelgesellschaften“ in „Pacific-Weimar“ bei geselligen Abenden etwa im Haus Lion Feuchtwangers, der Villa Aurora, die Hope bei seinen Recherchen vor Ort besuchen konnte und die heute als eine Art „Villa Massimo“ an der amerikanischen Westküste fungiert.
Im gleichsam präludierenden ersten Viertel seines Buchs schafft Hope einen unterhaltsam-informativen Einblick in die Atmosphäre, angereichert durch Anekdoten und Tratsch. Seine Diktion ist von erzählender Lockerheit, immer aber einfühlend in die Schicksale seiner Protagonisten – nicht zuletzt deshalb, weil Hope selbst aus einer Familie stammt, die in der Nazizeit Vertreibung erlebte. Die Leichtheit des Erzählens bleibt dem Buch auch erhalten, wenn es dann im eigentlichen Hauptteil mit einer Fülle von Details, auch wieder mit etlichen Anekdoten und Bonmots, um die zentralen Figuren im Thema „Sounds of Hollywood“ geht. Zu den großen Namen tauchen im Nebengeschehen auch die vielen wichtigen Unbekannten auf, Hans J. Salter etwa, für die Musik vieler Western zuständig, oder Eric Zeisl, einer der typischen Fließbandkomponisten Hollywoods.
Wenn Hope dann auf die Großen zu sprechen kommt, wird man gewahr, wie viel Musik man im Kino in berühmten alten Hollywoodfilmen wohl gehört hat, ohne die Namen ihrer Komponisten wahrgenommen zu haben. Ausführliche Kapitel widmet Hope der bemerkenswert großen Zahl derer, „die dank brillanter Einfälle, großem handwerklichem Können und professioneller Erfahrung […] entscheidenden Einfluss auf die ,Sounds of Hollywood‘ genommen haben“. Werner Richard Heymann, Friedrich Hollaender, Franz Wachsmann werden mit ihrem Schaffen porträtiert. Kurt Weill, Arnold Schönberg (er schraubte den Preis für das, was er „Prostitution“ nannte, derart hoch, dass die Studiobosse abwinkten) und Max Steiner, dem „vergessenen Vater der Filmmusik“, gehören detailreiche Kapitel. Sie alle konnten auf eine ruhmreiche deutsche oder österreichische Vergangenheit zurückblicken, die auch jeweils in ihr historisch-politisches Umfeld gestellt wird. Wie es auch bei Erich Wolfgang Korngold geschieht, dem Hope das umfangreichste Kapitel widmet: „Korngold hat die Filmmusik auf ein neues und höheres sinfonisches Niveau gehoben“, so Hope. Eine andersgeartete Komponistenpersönlichkeit hat Hope mit Hanns Eisler ausführlich porträtiert. Die „nächste Generation“ ist im Schlussteil durch André Previn vertreten und den gleichaltrigen John Williams. Einige Fotos geben visuelle Eindrücke zu Personen und Begegnungen. Als „Soundtrack“ zum Buch ist eine CD gleichen Titels erschienen.
Günter Matysiak